Essen mußte ich erst lieben lernen.

Ein Entwicklungsroman. Sie war fadendünn und aß wie ein Spatz. Vegetarisch obendrein – nach dem Besuch einer Fleischfabrik. Den Herd umging sie. Liebte Latein. Erst Mitte 20. Kam die Lust auf Fleisch, Essen als Genuss, Kochen. Jetzt. Schafft ZiB2-Anchorwoman Lou Lorenz-Dittlbacher längst ein Menü für zwölf Personen.

Text von Ro Raftl/Foto Stefan Fürtbauer

Lachen. Genießen, zusammen zu sein, sich aneinander zu wärmen, auch ein Glas Wein zu trinken. Essen geht mit Liebe einher, Essen kann glücklich machen. Doch gar nicht so einfach in einer Großfamilie. Wenn Rosinen brrr! sind, Curry bäh!, Gemüse urfad! und rohe Zwiebeln never ever! geschluckt werden können. Der Trost: Bei Nudeln und Huhn funktioniert die Verständigung immer, inklusive Lob und Wohlbehagen. Der logische Schluss: Pragmatisch kochen. Marielouise, cool auf Lou gekürzte Lorenz, hat eine Familie geheiratet. Fritz Dittlbacher brachte drei große Kinder in die Ehe mit. Bis endlich glückvoll: vor elf, ja bald zwölf Jahren Tochter Emma zur Welt kam. Sie war grad ein paar Monate alt, als die Mutter am 8. Juli 2010 ihre erste ZiB2-Sendung im ORF moderierte, mit Heinz Fischer als Gast, der als Bundespräsident in zweiter Amtszeit an­gelobt worden war. Geruhsame Vertiefung in ­würzige Feinheiten britisch-indischer Favorites wie Chicken Curry und Chicken Tikka Masala wurde da klarerweise aufgeschoben.

„Dass man einer Frau mit einem kleinen Baby so eine Chance gibt, ist nicht selbstverständlich. Damals nicht und heute nicht. Ich will jungen Frauen nicht erzählen, dass es leicht war. Aber ich kann sagen: Für mich hat es sich ausgezahlt“, postete Lou Lorenz-Dittlbacher zehn Jahre danach auf Twitter. Dass Emma eine Torte für sie buk, mit Jubiläumsaufschrift aus bunten Smarties, war das rührende Tüpferl auf dem i.

Der Blick auf Frauen und ihre Karrieren, ihre Chancen, Erfolge, Stolpersteine und Kränkungen treibt die 47-jährige Moderatorin um. Als großes Thema der Zeit, 2018 konzentriert in dem Buch Der Preis der Macht – in dem sie acht ehemalige Spitzenpolitikerinnen ihre persön­lichen Geschichten in Österreichs Machtgefüge eindrücklich schildern lässt. Ziemlich aufrüttelnd, und das nicht nur für Feministinnen. „Man braucht eine dicke Haut“, sagt die Ankerfrau der ZiB2. Tja, je mehr Öffentlichkeit, desto härter. Jeder Blick wird analysiert.

Zurzeit allerdings funkeln Lous Augen höchst vergnügt. Erfolg macht eben sexy. Sie hat nicht nur die ORF-Sommergespräche moderiert, sie bekam auch den Axel-Corti-Preis: für „hervorragende Recherchen und Hintergrundberichte, die klare und präzise Sprache, vor allem aber für die hartnäckige und kritische Interviewführung“.

Ihr „engagiertes und authentisches Auftreten“ wird extra gerühmt.

Bei sich sein. Man selbst sein. Authentisch. Andererseits: Sich persönlich völlig rausnehmen aus der jeweiligen Situation. Coaches schulen und trainieren die Moderatoren für ihren Auftritt. Kochen, garteln, spielerisch leicht zu sein, gehört für die zarte Blondine, die so gern lacht, in der Politik aber wenig zum Lachen findet, selbstverständlich dazu.

Sehr lustig, „dieser Urlaub in der Toskana, wo wir nah von Volterra mit Freunden ein Haus gemietet und sehr oft selber gekocht haben. Vier Erwachsene, fünf Kinder, ein Abendessen-Spiel für drei Gruppen: Jede musste sich einen Gang über­legen. Die Männer die Vorspeisen: Bruschetta und Prosciutto-Röllchen. Die Frauen die Hauptspeise, glaub, es waren Nudelvariationen. Das Entzückendste aber, unvergessen: die drei Kleinen beim Getüftel an der Nachspeise. Dunkle Schokocreme und ­helle Vanillecreme, mit schön aufgeschnittenen Pfirsichen garniert. So süß!“ Im Schönsprech: „Das bestimmt die Lebensqualität einer Familie.“

Lustigsein schafft LL-D aber auch solo. Romantisch rotgolden leuchtet der Herbst beim Klee am Hanslteich, und es geht nicht um Inzidenzzahlen, sondern ums Essen. Also putzt sie das Gansl mit Rotkraut und Kartoffelknödeln – „ganz wie sich’s g’hört!“ – munter weg, mag auch den Rotwein, passt nur beim Schokosoufflé nach ein paar Bissen, doch mehr aus Gründen der Gewichtsdisziplin. Sie sei eine „sehr Süße“, sagt sie. Die Überraschung kommt statt Zucker zum Kaffee:
„Essen musste ich erst lieben lernen.“

Darauf ein Schluck Leitungswasser. Ja. „Als Kind war ich fadendünn und hab wie ein Spatz gegessen. Außerdem. War ich Vegetarierin, lange bevor das in Mode kam: Als 13-Jährige waren wir mit der Schule in einer Fleischfabrik und ich war total schockiert, wie sie mit den toten Tieren umgehen. Ab diesem Moment hab ich Fleisch verweigert. Im Gasthaus nur die Beilagen gegessen, Knödel mit Saft oder so … Viele waren total entsetzt: Und das erlaubt deine Mutter? Sie ist super damit umgegangen, hat es einfach akzeptiert, selbst wenn sie sich schon Sorgen machte. Ich war ja ein ganz schmales Kind, obwohl sie jeden Tag gekocht hat.“ Mit zarter Seele halt. Schokolade hat ihr die Oma heimlich zugesteckt, die Else-Oma, die aus Hamburg war und mit dem Opa in einem Haus mit Garten in Reichenau an der Rax gelebt hat. „Viel Fisch und Gemüse gab’s bei ihr, nicht unbedingt meine Favoriten, doch sie war auch eine Süße. Und das mochte ich. Ihre Topfennockerln mit Bröseln und ganz viel Zucker. Immer noch und immer wieder. Apfelkompott hat sie dazugegeben. Der Kult der frischen Beeren kam erst später, damals wurden Beeren eingekocht. Himbeeren, Ribiseln und Schwarze Johannisbeeren wuchsen im Garten, und sie hat mich zum Abrebeln eingespannt.“

Kichern unter Frauen: „Macht man’s schnell, werden die Finger rot und die Nägel kaputt, macht man’s langsam, dauert es ewig.“

Erinnerungen. Ja, immer lustig, traurig, sauer, süß. „Sie war 72, als ich geboren wurde, aber eine sehr, sehr wichtige Person für mich. Total fit bis 95, hat ganz alleine gewohnt – bis ein Hochwasser kam und sie von der Feuerwehr aus dem Haus geholt worden ist. Das ergab eine Art Desorientierung. Mit 96 ist sie gestorben.“

Die Enkelin zelebriert Omas Topfennockerln mit Liebe, allerdings frei nach Marillenknödelteig ein wenig umgemodelt: „Mit ihrem Rezept krieg ich den Geschmack von damals nimmer hin, viele Lebensmittel schmecken ja ganz anders als früher.“

Lou Lorenz kocht, und nicht erst, seit sie Dittlbacher heißt. Bei Oma, Mutter und dem ersten Freund durfte der körnchenpickende Spatz grad Küchenmädel spielen: Kartoffeln schälen, Gemüse schneiden, Schnee schlagen. Uninteressant! Mitte Zwanzig aber, „als ich entspannter war und die Selbstsicherheit wuchs, bekam ich plötzlich Lust auf Fleisch, auf Essen als sinnlichen Genuss. Begann auch, Dinge nachzukochen, die mir woanders geschmeckt hatten und fand das gar nicht so schwer.“ Mit Kürbissuppe und Risotto fing’s an, Freundinnen steuerten Rat und Rezepte bei, Lou probierte, experimentierte, lernte durch Erfolg und Misserfolg, lud Menschen ein, traute sich nach und nach immer mehr zu. Triumphiert: „Wenn man eine größere Familie heiratet, muss man sich das ­sowieso zutrauen, und dann macht es auch Spaß.

Ich glaub, wenn man für zwölf Leute kocht und es schmeckt ihnen, dann hat man’s geschafft.“

Zur Ergänzung: Die Familie ist noch gewachsen. Um zwei Ehemänner von Fritz Dittlbachers erwachsenen Töchtern und zwei süße Kleinkinder. Emma ist seit drei Jahren Tante! Das Patchwork funktioniert.

Wie die Freundschaften, eine direkt als kulinarischer Turbo: „Isolde Bornemann, die kocht fantastisch und ist auch in der Lage, zwei Tage lang für ein Essen zu kochen. Sie hat einen Blog, Küchenfreundin Isi, auf dem sie’s schafft, Speisen so darzustellen, dass auch Menschen, die nicht zwei Tage lang für ein Menü kochen wollen, etwas Tolles herzustellen imstande sind. Quiche und Fisch und Paprikahendl, sehr bodenständige Sachen, da lass ich mich immer wieder inspirieren und probier’ auch viel Neues.“

Nudeln in sämtlichen Variationen, Rindsbraten, Schweinsbraten, Tafelspitz gehören längst zu Lous fixem Repertoire. Fleischknödel mit Sauerkraut kann sie auch – klar, Leibspeis’ in Oberösterreich, wo ihr Mann herkommt.

Und. „Ich mag es schon sehr gern deftig. Rezepte mit Gewürzen, die man ungefähr jedes dritte Jahr braucht, und die fünf Gramm von diesem und zwölf Gramm von jenem verordnen, überblättere ich. Hab zwei Bücher von Ottolenghi zu Haus, geb’ aber zu, dass mir die Zeit und die Geduld fehlen, mich so lange mit Essen zu beschäftigen. Ess wahnsinnig gern, koch auch gerne, möchte aber nicht zehn Stunden kochen für eine Stunde Essen. Eine Schieflage irgendwie …“ Zwinkert und gesteht, dass sie’s mit einem Ausspruch ihrer Lateinlehrerin hält: Ich koche, um zu leben, ich lebe nicht, um zu kochen.“

Wobei. Vor den jährlichen Hochzeitstags-Feieressen ihrer beider Trauzeugen, Lisa Ahammer (Puls 4) und Dieter Bornemann (Eco) kniet sie in begeisterter Ehrfurcht: „Zum Zehnten ein Zehn-Gänge-Menü! Mit Speisekarte!“ Sie hat sie gespeichert.

„Voilà: Thunfischtatar. Quiche Lorraine. Kastaniensuppe im Apfel. Räucherforelle mit Apfelkren. Hühnercurry mit Fladenbrot. Zitronengranité mit Wodka. Roastbeef mit Remouladensauce. Vanille-kipferl. Karamellisierter Kürbis mit Zwiebeln, Nüssen und Schafkäse. Hochzeitstorte. Für sechs Erwachsene. Das hat Stil.“

Dennoch wirkte die Lateinlehrerin weitgehend nach: Lou inskribierte Latein und Französisch fürs Lehramt. Dauerte drei Jahre, bis sie erkannte: „Das ist es nicht!“, hierauf jedoch in die große Ratlosigkeit fiel: „Ich wusste, was ich nicht, aber nicht, was ich wollte.“ Vernünftig. Konsultierte sie eine simple Berufsberatung – und lobt noch heute diesen Tag: „,Sie interessieren sich für Menschen, Sprachen, sind neugierig, warum wollen sie nicht Journalistin werden?‘ Hmmm. Das. Kam in meinem Leben nicht vor, daran hatte ich nie gedacht. Schreiben? Schrieb recht gerne. Fernsehen war überhaupt kein Thema … Nun, der EU-Beitritt stand gerade im Fokus, Hochschulkurse für Europajournalismus standen im Angebot, Praktika waren verpflichtend.“ Also. Lernen, Erfahrung sammeln, Ausdauer beweisen. Bei Zeitungen. Dann doch im TV. Hans Besenböck hat Lou Lorenz „entdeckt“. Sie schwärmt: „Das ganze Herz und die komplette Energie mit anderen jungen Menschen in den Aufbau von W1 gesteckt.“

Zwei Marksteine noch: 1999, als Lou Lorenz ORF-Redakteurin in der damals neuen ZiB3 wurde. „Redaktionsleiter war ein gewisser Armin Wolf, das ganze Land hat gebebt, war im Umbruch, 2000 kam Schwarz-Blau. Hochspannend.“ Und 2010, als LL-D quasi in den Adelsstand erhoben wurde. Als Anchorwoman der ZiB2.

Respekt! Für: die Kraft zur Karriere und die Kraft zur Familie. Die Fähigkeit zur Balance, ALLES zu vereinbaren. Scheinbar mühelos, suggeriert die Außenwirkung. Ein gelungenes Leben. Bodenhaftung sucht und findet die zartbesaitete Kämpferin bei Schnittlauch, Petersil und Co. In Otta­kring. Lou ist dort aufgewachsen, und jetzt wohnen die Dittlbachers wieder dort – „wo sich die Stadt so ausfranst … Ein gutes Gefühl, mit dem Bus vor der Haustür und der U3 in einer halben Stunde am Stephansplatz zu sein, bin aber auch froh, in der Früh aus dem Fenster ins Grün zu schauen. Emma wirbelt durch den Garten. Drei Katzendamen schleichen durch das Laub. Lous schwarze Coco, zwanzigeinhalb, ach, so ein Tier zu haben, das ein ganzes Leben zeigt. Lotti, die Rastlose, zieht es in die Ferne. Und. Darauf ein Tusch: Maunzi, die Glückskatze! Wo sie sonst wohnt, weiß man nicht, doch sie kommt abends pünktlich ins Haus und geht genauso pünktlich in der Früh, um Emma täglich zum Bus zu begleiten – wie ein Hund.

Klingt nach Idylle, aus Gefühlen gebaut.

So. Geht sich’s aus, Politjunkie zu sein und kritische Interviewfragen zu stellen.

Der Garten ist wichtig. „War schon Teil der Aufträge, dem Opa im Garten beim Ernten zu helfen, und damals hat mir das nicht viel Spaß gemacht. Doch als ich groß war und die Großeltern tot, hab ich wieder Sehnsucht nach genau so einem Gemüsebeet bekommen, wie es bei den Großeltern gab. Erst hab ich auf ihrem Grund wieder eins angelegt, später auch bei uns zu Haus. Wobei. Jedes Jahr schaff ich es nicht – bei Sommergesprächen geht sich kein Gemüsegarten aus. Man muss halt Abstriche machen.“ Dann auch öfter essen gehen. Gern im jeweiligen Umfeld: Zu Klee am Hanslteich und Plachuttas Grünspan in Ottakring oder ORF-nah ins Marios oder L421 Asian Food in der Linzer Straße. Wenn die Sehnsucht nach dem Meer zu groß wird, muss es italienisch sein. Absolut tröstlich im Jammer der Pandemie mit ihren Lockdowns natürlich das Bombay Palace, das indische Restaurant in der Thaliastraße. „Sie würzen so großartig und verwenden keine Verdickungsmittel. Hat uns der Nachbar empfohlen, er ist ein Gourmet. Also haben wir es blind geglaubt.“ Lol.

Na, im Ernst: „Indisches Essen lässt mich London schmecken, meine zweite Herzensstadt nach Wien.“ Sie klagt ein wenig: „Pandemiebedingt hab ich London schon so lang nicht mehr gesehen. Ich hab nie wirklich dort gelebt, aber ein Mal im Jahr war ich immer auf Besuch. Die Schwester meiner Mutter ging mit 17 nach England, verliebte sich und blieb. In London und in einem Haus in der Grafschaft Kent, in Broadstairs am Meer. Dieser Friede am Meer, zu jeder Jahreszeit. Ein Erweckungserlebnis. Ich liebe das Meer. Und alle Geschmäcker der Welt, die sich die Briten in ihre Hauptstadt geholt haben, na ja, ihre eigene Küche ist ja nicht so bombastisch, abgesehen vom English Breakfast.

Indisch essen gehen bei den Besuchen der Tante war immer ein Höhepunkt. Wenn’s nur nach mir ginge, würd’ ich ständig mit Curry würzen. Chicken Tikka Masala hat jedenfalls einen festen Platz in meinem Speiseplan … dabei ist es ein Schmäh, nicht in Indien entstanden. Ein Versuch in der Nachkriegszeit, Engländern indisches Essen nahezubringen, heute an­geblich das beliebteste Essen in UK.“ Nicht nur dort, auch in Ottakring. Denn, Emma mag es auch.

Chicken Tikka Masala

Zutaten
4 Hühnerbrüste
1 Zwiebel
2–3 Knoblauchzehen
4–5 große Tomaten
2 EL Tomatenmark
etwas Ingwer (je nach Geschmack)
2 EL Garam Masala
Chiliflocken, Salz, Pfeffer
150 g Naturjoghurt
Butter
Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer klein schneiden, ­alles in Butter anschwitzen. Tomatenmark und Gewürze dazu, leicht einkochen.
Dann die in Würfel geschnittenen Tomaten dazugeben. Wenn die Sauce eindickt, in ein hohes Gefäß geben, abschmecken und passieren. Die gewaschenen und geschnittenen Hühnerbrüste leicht anbraten, die passierte Sauce dazu, 10 bis 15 Minuten köcheln lassen. Am Schluss Jogurt dazu.
Mit Reis servieren.

Topfennockerln

Zutaten
250 g Topfen
50 g Butter
1 Ei
120 g Mehl
etwas Salz
Brösel, Zimt, Staubzucker
Zimmerwarme Butter mit Ei schaumig rühren, erst Topfen, dann Mehl und eine Prise Salz dazugeben. Einige Stunden oder über Nacht kalt stellen.
Mit bemehlten Händen oder zwei Löffeln kleine Nockerln formen, in siedendem Wasser garen lassen, bis sie aufsteigen.
In der Zwischenzeit Brösel in Butter bräunen, zum Schluss Zimt dazu.
Die Nockerln in diesem Gemisch wälzen, mit viel Staubzucker servieren.
Dazu: Zwetschkenröster oder Apfelmus