Aktentaschen-Espresso

Ein Espresso für unterwegs, im Auto, im Zelt, auf dem Segelboot oder auf der Berghütte? Kein Problem, zumindest fast keines – eine neue Generation portabler Espressomaschinen bekommt sogar die Crema einigermaßen hin.

Text von Florian Holzer Fotos von Handpresso, 20-2018 Dan Kennedy, Arendo

Mit dem Espresso ist das so eine Sache. Zumindest, wenn man sich wirklich an ihn gewöhnt hat (nein, wir sprechen hier natürlich nicht von Abhängigkeit, wir sprechen von einem gedeihlichen Miteinander, so gedeihlich, dass man ohne einander halt nicht mehr auskommen will …), dann kann man bald einmal vor dem Problem stehen, keinen parat zu haben. Sehr bald sogar, denn die Orte, an ­denen man zuverlässig mit einer gut vorgewärmten Espresso­maschine rechnen kann und mit jemandem, der schöne Bohnen gut zu mahlen versteht und aus deren Pulver dann mittels 92 °C heißem Wasser (bei höherem Robusta-Anteil gerne auch das eine oder andere Grad kühler) und knappen zehn Bar Druck eine perfekte, haselnussbraun-getigerte Emulsion herzustellen vermag, sind erschreckend rar auf diesem Planeten! Um genau zu sein, ist es sogar hochgradig unwahrscheinlich, in diesen Genuss zu kommen: Wenn man sich etwa veranschaulicht, dass die 301.000 Quadratkilometer Italiens gerade drei Fünftel ­eines Promilles der Erdoberfläche ausmachen und mit Brooklyn, ­Toronto, Stockholm, Teilen Londons, Downtown Beverly Hills, dem siebenten Wiener Gemeindebezirk und jeder Menge zugedrückten Augen also gerade mal ein Tausendstel dieses Planeten in der Lage ist, artgerecht hergestellten Espresso zu ermöglichen, ja dann kann man schon ein bisschen in Panik geraten.

Und Panik war immer schon ein guter Ratgeber.

Und weil wir generell in panischen Zeiten leben und in solchen, da selbst tagsüber in zivilisierten Städten kein ordentlicher Espresso zu bekommen ist, wurden in den vergangenen Jahren ein paar Geräte entwickelt, die solcherart besorgte Menschen wieder gut schlafen lassen können sollen. Beziehungsweise am Morgen besser aufwachen lassen können, um bei diesem Bild zu bleiben.

Vor zehn Jahren brachte daher die zwei Jahre zuvor gegründete französische Firma Handpresso ein Gerät auf den Markt, das unerträgliche Missstände wie den Espresso-Verzicht auf Segelbooten, Campingplätzen (außerhalb Italiens), Berghütten (außerhalb Italiens) und Autobahnraststätten (außerhalb Italiens) beziehungsweise den verzweifelten Griff zu irgendwelchen Substituten aus Thermoskannen oder Knopfdruck-Automaten obsolet machen sollte: eine kleine, stabile Maschine, die entfernt an eine Fahrradpumpe erinnert und auch durchaus ähnlich funktioniert. Man verriegelt ein Ventil, baut mit einer Pumpe einen Druck von bis zu 16 bar auf (ein kleiner Manometer gibt Auskunft darüber, wie weit man sich dem Ziel schon genähert hat beziehungsweise, ob man sich schon in den „roten Bereich“ gepumpt hat), füllt in ein seitlich angebrachtes Gefäß kochendes Wasser ein, legt ein E.S.E.-Pad ein, verschließt das Gefäß, hält die ­Apparatur über eine Espressotasse und entriegelt das Druckventil, woraufhin sich das heiße Wasser mit hohem Druck durch das Kaffeepulver quält und mehr oder weniger einem Espresso ähnlich in die Tasse tröpfelt.

Das Prinzip der Handpresso Wild wirkt bestechend einfach, die Verarbeitung ist gut, die Materialien wirken zuverlässig und stabil, sogar das Design ist gelungen. Und das E.S.E.-System kann ohnehin nicht genug gelobt werden: 1974 von Illy auf den Markt gebracht, wurde es zu einem sogenannten „offenen Standard“, das heißt, jeder Kaffeeröster, ob groß oder klein, konnte sein Kaffeepulver zwischen das Filterpapier pressen und eigene E.S.E. („easy serving espresso“)-Kaffeetabletten herstellen. Je nach Kaffeequalität, Exaktheit der Füllung und Pressung und Frische der Pads (mittlerweile meistens einzeln verpackt) kann man da mitunter ein sehr überzeugendes Ergebnis erzielen, ohne sich die Mühsal der Mahlung und der Siebträger-Reinigung anzutun.

Nur: Mit der Handpresso Wild gelingt das leider auch bei bestem Willen nicht. Nicht mit großartiger Pad-Qualität (wir versuchten es mit Crema-freundlicher „Qualita oro“ von Molinari), nicht mit Vorwärmung des Geräts durch heißes Wasser, nicht mit schnellem Pumpen, nicht mit gefühlvollem Pumpen, nicht mit mehr oder weniger Wasser. Der Espresso troff schal aus dem Gerät, die Crema war erbärmlich, ihre Farbe hellgelb. Immer. Vor drei Jahren hat Handpresso ­übrigens auch einen portablen Espressomacher in elektrischer Ausführung entwickelt, den man an den Zigarettenanzünder anstecken und Druck sowie Wassertemperatur elektrisch herstellen lassen kann (159 Euro). Sieht in jedem der YouTube-Videos und Fotostrecken genauso aus wie in der Hand-Version, schal und hellgelb, die Tester sind meistens trotzdem begeistert, es handelt sich dabei allerdings um Engländer, Deutsche, Franzosen und Amerikaner, Italiener dürften die Handpresso Wild oder die Handpresso Auto noch nie getestet haben.

Hugo Cailleton – ebenfalls Franzose, der seit 2000 in Hongkong lebt – war jedenfalls sehr frustriert, nachdem er 2012 von einer hotelkaffeegeprägten Geschäftsreise nach Hause kam und in seiner Not sämtliche Geräte ausprobierte, die versprachen, unterwegs Espresso machen zu können. Und nachdem er selbst Designer und Produktentwickler nicht zuletzt von Espresso-Heimgeräten für Konzerne wie Rowenta, Moulinex, Hamilton Beach und ähnliche mehr ist, entwickelte er eine Art Espresso-Pumpe. Ein Jahr und ein paar ­Prototypen später brachte er 2013 die Minipresso auf den Markt, der vor Kurzem die etwas verbesserte, verkleinerte Nanopresso folgte.

Im Stand-by-Modus erinnert die Nanopresso ein wenig an eine sehr gefährliche Bombe, mit der ­Bösewichte in einem Science-fiction-Film einen Planeten, der von friedlichen Einhörnern bewohnt wird, in die Luft jagen können und wollen. Auch zerlegt wirkt das Werkzeug immer noch ein wenig bedrohlich, Filter sind aus grell-orangem Kunststoff, das Lasergelochte Nanosieb, das über den Behälter mit dem Kaffeepulver geschraubt wird, versucht erst gar nicht, seine Hightech-Attitüde zu verbergen. Mit einem Dreh entriegelt man die Pumpe, die sich federgesteuert mit dem mechanischen Seufzen eines Repetiergewehrs aus dem Korpus löst und 18 bar erzeugen kann. Alles rastet hier exakt ein, alles passt. Die Prozedur wirkt anfänglich ein wenig misstrauenerregend: Frisch gemahlenes Kaffeepulver in einen Siebträger füllen, einsetzen, ­Düsen-Aggregat aufschrauben, kochendes Wasser in den Tank füllen, sechs Mal pumpen, um den Basisdruck zu erzeugen, dann gemächlich weiterpumpen, wenn der Kaffee aus der Science-fiction-Bombe austritt und in die Tasse rinnt … Und was soll man sagen: Das funktioniert großartig! Sogar beim ersten Mal, beim zweiten Mal wieder und beim dritten Mal genauso, immer enorm cremig, schöne Haselnussfarbe, leichte Tigerung, man hat in Österreichs Toprestaurants schon sehr oft schlechteren Kaffee getrunken.

Okay, für den Versuch wurde Malabar Monsun der Rösterei Roen aus Affi bei Verona verwendet, einen sehr viel besseren Espresso gibt’s momentan nicht, ­damit hatte die Nanopresso gegenüber der Hand­-presso Wild sicher einen Vorteil (eigentlich sollte die Handpresso auch einen Einsatz für frisch gemahlenes Kaffeepulver haben, der war in unserer Lieferung ­allerdings leider nicht enthalten).

Weshalb wir die Probe aufs Exempel machten und außerdem noch die Espresso to go des deutschen Küchengeräteherstellers Arendo probierten, die quasi genauso funktioniert wie die ­Nanopresso, sehr ähnlich aussieht, allerdings nicht ganz so wertig ver­arbeitet ist und nicht einmal ein Drittel davon kostet. Und siehe da: Der ­Espresso war auch nicht einmal ein Drittel so gut, obwohl ebenfalls frisch gemahlener Malabar Monsun eingefüllt und wieder alle verschiedenen Wärme- und Druck-Dynamiken ausprobiert wurden: dünn, gelb, deprimierend bei jedem der Versuche, schade um den wertvollen Kaffee.

Was bleibt uns als Fazit? Man kann unterwegs einen guten Espresso machen. Wenn man erstens das richtige Gerät mit dabei hat; wenn man zweitens frisch gemahlenen Kaffee erster Güte zur Hand hat, was eigentlich wiederum die Mitnahme einer mobilen Mühle erfordert (gibt’s natürlich, kann man viel Geld dafür ausgeben, wenn man will); und wenn man drittens einen Zugriff auf ­kochendes Wasser hat, was im einigermaßen zivilisierten Raum nicht so sehr ein Problem sein sollte, aber die Sache halt schon wieder zur Prozedur werden lässt.

Also unterwegs vielleicht doch besser Tee trinken. Oder nur nach Italien fahren.

€ 99,–
www.handpresso.com

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www.wacaco.com

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www.arendo.de