Beste Köchinnen

Immer mehr Frauen kochen sich in den Olymp der internationalen Gourmets. Eine kleine Hitliste der vermutlich besten Köchinnen der Welt.

Beste Köchinnen

Text von Hans Mahr Fotos: beigestellt
Jede halbe Stunde steckt Anne-Sophie Pic ihren kleinen Kopf mit der prägnanten Nase in den Türspalt zwischen Küche und Gastraum und beobachtet, wie geschmaust wird. Macht’s Spaß? Wird aufgegessen? Sie braucht das direkte Feedback ihrer Kundschaft. "Nur so kann ich wissen, ob ich mit meiner Küche richtig liege", sagt sie.
Nun, sie liegt richtig. Goldrichtig. Im letzten Jahr hat ihre "Maison Pic" in dem eher schmucklosen Valence, an dem man sonst per Autobahn schlicht und einfach vorbeifahren würde, den dritten Michelin-Stern bekommen. Als einzige Frau in Frankreich – und zwischenzeitig glauben immer mehr Feinschmecker, dass hier in Valence sogar die beste Köchin der Welt den Löffel schwingt.
Lokalaugenschein in Valence: Das einfach-modern gestylte "Maison Pic" liegt an der "Nationale 7" im Süden der Stadt. Helle, freundliche Gasträume, beige und braun gehalten, für einen 3-Stern-Betrieb fast gemütlich zu nennen. Sogar der Service kommt ohne Handschuhe und Blasiertheit daher, die einem in manch anderem französischen Esstempel so unangenehm auffällt.
Los geht’s: wunderbare Flusskrebse in einer ganz milden Zwiebelsuppe, dann ein Gericht, das sie bekannt gemacht hat: ein weich gekochtes Ei mit Tomaten und Kapern-Ketchup und wildem Blütenhonig, dazu ein paar Baby-Tintenfische. Eine lustige Kombination, die auch meinen beiden Kindern (Ketchup!) schmeckt. Apropos Kinder: Kaum jemals zuvor bin ich mit der Siebenjährigen und dem Zwölfjährigen so freundlich empfangen worden wie hier.
Anne-Sophie kocht für die Kleinere sogar extra ein kleines Stück Gänseleber mit drei verschiedenen Salaten, ein halb gebratenes Beef-Tatar mit sensationellem Kartoffelpüree und dreierlei Schokolade von der hauseigenen Patisserie. Das Ganze steht dann als "Offerte" auf der Rechnung, also als kostenlose Beigabe. "Die Kinder sind nicht nur unsere künftigen Gäste, meist entscheiden sie auch, in welches Lokal die Eltern gehen – um sie kümmere ich mich besonders!", sagt Anne-Sophie Pic. Und als ihr Marie-Therese erzählt, dass ihr die Gänseleber sooo geschmeckt hat, strahlt sie noch mehr als bei meinen Lobpreisungen.
Weiter geht’s mit einem Petersfisch in schwarzem Kardamom und Lorbeer. Dann das Bresse-Huhn in zwei Gängen mit einer "Compression" von Kartoffeln mit Algen und Meeresschneckencreme. Ehrlich, ich weiß nicht, ob ich mir nach diesem Erlebnis nochmals woanders ein Hendl zu Gemüte führen werde.
Dass das Ganze nicht ganz billig ist, versteht sich von selbst.
195,– € verlangt Madame Pic für das einfache Menü, wer das "Generationen-Menü" (mit Rezepten vom Vater und Großvater) haben will, muss dann schon 320 € auf den Tisch legen. Ein Tipp für Feinschmecker mit "normaler" Geldbörse: zu Mittag gibt es vier Gänge um 110 €.
Den Höhenflug der Anne-Sophie kann man stellvertretend für den rasanten Aufstieg der Frauen in der internationalen Kochwelt sehen. Natürlich ist die Auswahl der "besten Köchinnen" eine sehr subjektive, aber versuchen wir es trotzdem, eine kleine, aber feine "Hitliste" aufzustellen.
Die "zweite Frau" in Frankreich ist wohl Hélène Darroze mit ihrem gleichnamigen Restaurant mitten im Pariser Saint-Germain. Ihre südwestfranzösische Küche mit viel Gewürzen und Einflüssen aus dem Baskenland (Risotto mit Tintenfisch und Chorizo, Jakobsmuscheln mit Karotten und Koriander, Taube mit Kapuziner-Kresse) hat sie nicht nur in Paris bekannt gemacht. Gerade wurde ein Darroze-Restaurant in London eröffnet, ein weiteres in Hongkong soll folgen.
Im benachbarten Italien sind ebenfalls zwei Damen am Werken, die in den Olymp der Gourmets erhoben worden sind. Voran natürlich Annie Féolde, eigentlich von der Côte d’Azur stammend, die mit ihrem italienischen Mann die "Enoteca Pinchiorri" in Florenz auf drei Sterne emporgekocht hat. Oft als überteuert und arrogant bezeichnet, muss der Gast trotz allem vor der Kochkunst Annies den Hut ziehen. Die Pasta ist einfach unfassbar gut: ob die Garganelli mit Zucchiniblüten, Wurst und Ricotta, die Ravioli mit Burrata und Perlhuhn oder das überirdische Fischrisotto – nicht nur wegen der hundert Euro für eine Vorspeise bleibt da kein Auge trocken.
Ganz persönlich ziehe ich aber die andere "Grande Dame" der italienischen Küche in Mailand vor: Bei "Aimo e Nadia" im industriellen Westen der Stadt ist es einfach gemütlicher, erschwinglicher und meist genauso gut. Auch Nadia hatte sich ursprünglich der toskanischen Küche verschrieben, kocht aber jetzt quer durch Italiens Regionen. Am besten probiert man das klassische Menü aus, das den Bogen von Mailand über Ligurien und das Piemont bis nach Sizilien spannt.
In Spanien steht die Köchin Nummer eins erst seit drei Jahren alleine am Herd. Elena Arzak hat von ihrem Vater übernommen. Sie ist "bereits so gut wie ich", sagt Juan Mari, als er vor einigen Monaten die Trophée Gourmet von A la Carte verliehen bekam. Probiert und zugestimmt, mit einer Ergänzung: Elena ist vielleicht noch ein bisschen experimentierfreudiger als ihr Vater und mixt grandios baskische Spezialitäten mit internationalen Geschmacksnoten von Tamarind bis Mango, von Kokosnuss bis zum Paprika.
"Draußen in der Welt" sind noch zwei andere Damen bemerkenswert. In Miami kocht Michelle Bernstein eine großartige amerikanisch-karibische Küche. Nach langen Wanderjahren zwischen den USA und Mexiko steht sie jetzt in ihrem eigenen Lokal "Michy’s" in Miami am Biscayne Boulevard in der Küche. Das besondere bei "Michy’s": Praktisch alles gibt es in Normal- oder in Tapas-Portionen. Die Tapas ermöglichen es, zu zivilen Preisen praktisch die halbe Karte durchzuprobieren: die weiße Gazpacho mit Mandeln, Trauben und Gurken, die scharfen Ceviches, den Lachs mit Couscous, die Hühnerleber mit Sherry oder den Blueberry Cake mit Sorbet.
Über JinR, die chinesische Selbstdarstellerin mit ihrem "Green T. House" in Peking, ist schon viel geschrieben worden. Das Time Magazine hat sie zu "China’s hottest Chef" gemacht und im Salzburger Hangar-7 wurde ihr gehuldigt. Leider hat sich die Dame in den letzten Jahren mehr auf die Vermarktung und auf neue Restaurants von Singapur bis Bangkok konzentriert. Beim jüngsten Testessen in zwei ihrer Restaurants in Peking musste man feststellen, dass die Qualität deutlich abgebaut hat. Ob Dim Sum oder Rindfleischsalat, ob Lachs oder Lammrücken – alles war, na ja, ganz gut, aber auch nicht mehr. In der Hoffnung, dass sich JinR in Zukunft wieder mal mehr ums Essen als um die Vermarktung kümmert, wollen wir sie dennoch auf der Liste der besten Köchinnen behalten.
Vom größten Land zu einem der kleinsten Länder, nach Luxemburg. Denn auf Léa Linster, die sich neuerdings durch Auftritte bei Kerner & Co. in deutschen TV-Shows wieder in Erinnerung gebracht hat, darf man nicht vergessen, wenn man über die großen Kochkünstlerinnen schreibt. Léa ist einfach ein Schatz. Wenn sie in ihrem Landhaus, zehn Kilometer von Luxemburg-Stadt entfernt, für einen aufkocht, dann ist es auch die Anreise von Deutschland oder Österreich wert. Ob Kabeljau mit Stampfkartoffeln, Barsch in Salzkruste, Kalbsbries mit gebackenen Äpfeln oder Rosmarin-Lamm in der Kartoffelkruste – Lea kocht bodenständig, aber erstklassig, einfach ein Genuss.
Als letzte "Ausländerin" muss man noch eine Deutsche erwähnen, die wahrscheinlich die beste italienische Küche bei unseren Nachbarn serviert: Cornelia Poletto. Sie hat bei Heinz Winkler am Chiemsee gelernt, wurde durch Heirat "italienisiert" und kocht heute im "Poletto" in Hamburg-Eppendorf auf Sterne-Niveau. Sei es Pasta oder Fisch, die Poletto versucht immer, die italienische Küche mit Hamburger "Anleihen" (z. B. Räucheraal) zu ergänzen. Alles in allem: nicht ganz auf derselben Höhe wie die vorgenannten Kolleginnen, aber sicher Deutschlands Beste.
Kochen Frauen anders als Männer? "Ja!", hat mir einmal Johanna Maier erklärt, die in Österreich die Topriege anführt. "Frauen sind einfach sensibler, gerade beim Würzen, und sie wollen niemanden beeindrucken, sondern einfache, aber stimmige Geschmackskompositionen servieren!" Mit Lisl Wagner-Bacher in Mautern, ]Sissy Sonnleitner in Kötschach-Mauthern und der zitierten Johanna Maier in Filzmoos war Österreich mit "Frauenpower" schon führend, als die Franzosen noch am rein männlichen Bocuse- oder Ducasse-Ideal festgehalten haben.
Schön zu wissen, dass unsere gourmettechnisch leicht verschlafene Heimat zumindest in diesem Punkt einmal vorne zu finden ist. Und vielleicht ein guter Grund, die Damen wieder einmal zu besuchen und sich an ihrer Kochkunst zu erfreuen …

Adressen

Hélène Darroze Restaurant
4, rue d’Assas, 75006 Paris, Frankreich
Tel.: +33/(0)1/42 22 00 11
www.relaischateaux.com/darroze

MAISON PIC
285, avenue Victor Hugo
26000 Valence-Drôme, Frankreich
Tel.: +33/4/75 44 15 32
www.pic-valence.fr

GREEN T. HOUSE
No. 6, Gongti Xi Lu Chaoyang
100027 Beijing, China
Tel.: +86/10/65 52 83 10
www.green-t-house.com

Il Luogo di Aimo e Nadia
Via Montecuccoli 6
20147 Milano, Italien
Tel.: +39/024/168 86
www.aimoenadia.com

Restaurant Enoteca Pinchiorri
Via Ghibellina 87
50122 Firenze, Italien
Tel.: +39/055/24 27 77
www.relaischateaux.com/enoteca

ARZAK restaurant
Avda. Alcalde Jose Elosegui 273
20015 Donostia, San Sebastian, Spanien, Tel: +34/(0)943/27 84 65
www.arzak.info

Michy’s
6927, Biscayne Boulevard
Miami, USA
Tel.: +1/305/759 20 01

Léa Linster
17, route de Luxembourg
5752 Frisange, Luxemburg
Tel.: +352/23 66 84 11
www.lealinster.lu

POLETTO
Eppendorfer Landstraße 145
20251 Hamburg, Deutschland
Tel.: +49/(0)40/480 21 59
www.poletto.de

Hubertushof
Johanna Maier
Am Dorfplatz 1
5532 Filzmoos, Österreich
Tel.: +43/(0)6453/82 04
www.johannamaier.at

Landhaus Bacher
Lisl Wagner-Bacher
Südtiroler Platz 2
3512 Mautern, Österreich
Tel.: +43/(0)2732/829 37
www.landhaus-bacher.at

Restaurant Landhaus Kellerwand
Sissy Sonnleitner
9640 Kötschach-Mauthen, Österreich
Tel.: +43/(0)4715/269
www.sissy-sonnleitner.at