Gourmandisen und Klapperschlangen

Text von Helga Baumgärtel Foto: Julien McRoberts/Danita Delimont/picturedesk.com

Zwischen Golfplätzen und Tex-Mex-Restaurants kann man nicht nur hervorragend essen, sondern sich auf die historischen Spuren von Arizona begeben.

Das Flugzeug nach Phoenix war fast leer. Das Essen – wie bei den meisten Airlines in Amerika – ziemlich mies. Der Weißwein aus dem Pappbecher war ebenfalls nicht berauschend. Kein gelungener Auftakt für eine Gourmetreise. Aber der Steward – Benjamin – war reizend. „Wo wollt ihr denn hin?“, fragte er. „Arizona, gut essen und ein bisschen Golf spielen“, sagte ich. „Wird euch Spaß machen, schönster Staat im ganzen Land“, sagte er. „Komme auch daher. Gibt einen Haufen netter Futterplätze bei uns.“

Vor der Landung drückte er uns noch einen Zettel mit seinen Lieblingsrestaurants in die Hand „Aber passt auf die Klapperschlangen auf“, warnte er zum Abschied, „von den verdammten Biestern haben wir mehr als Einwohner.“

Aus den Lautsprechern – versteckt in Büschen links und rechts des Abschlags – perlt Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 1. Die Fairways sehen aus, als wären sie mit dem Rasiermesser geschnitten. Dahinter das etwas protzige Clubhaus. Wir sind in Phoenix, im Herzen von Arizona. Am Golfplatz des Phoenician Resorts, der sündhaft teuren Luxus-Oase im Millionärs-Viertel.

Alles ist hier super. Der Golfplatz, die edlen Emailleschilder („beware of rattle snakes“), die in feiner Schreibschrift vor den Klapperschlangen warnen sollen, das elegante Golfrestaurant Windows on the Green mit seiner fabelhaften Franco-Italo-Hispano-Cuisine. Sieben weitere Restaurants, die Bar am Golfplatz gefüllt mit edlen Spirituosen, an der Wand ein signiertes Foto von John Wayne. Alles vom Feinsten. Das günstigste Doppelzimmer kostet $ 200 die Nacht.

Auf dem Zettel, den uns Benjamin in die Hand gedrückt hat, finden wir sein Lieblingsrestaurant in Scottsdale: das Voila French Bistro. Der Besuch lohnt sich. Jean-Christophe Gros und seine Ehefrau Ségelène kamen erst vor zwei Jahren nach Amerika. Vorher hatten sie drei Restaurants in den Vogesen. Spezialisiert ist das kleine Restaurant auf Fische jeder Art, und die Bouillabaisse für $ 26 bekommt man auch in Frankreich nicht besser.

Es war Ende der Fünfzigerjahre, als es in Hollywood schick war, seinen eigenen Golfplatz zu besitzen. Bing Crosby ließ sich seinen im Süden Arizonas, fast an der Grenze zu Mexiko bauen. In Tubac, dem kleinen malerischen, damals etwas verschlafenen Ort südlich von Tuscon.

1726 wurde Tubac von Spaniern, die aus Mexiko heraufkamen, gegründet. Die erste europäische Siedlung in Arizona. Ein paar Jahre später zogen etwa 200 der Neuansiedler weiter Richtung Nordosten und gründeten San Francisco. 1860 war Tubac dann die größte Stadt in Arizona. Und hatte jahrelang Ärger mit den Ureinwohnern, den Apachen unter ihrem berühmten Häuptling Geronimo. Natürlich ging es dabei nicht so edelmütig zu wie in den Karl-May-Filmen mit Winnetou, dem edlen Häuptling der Apachen. Die Indianer wurden gnadenlos abgeschlachtet.

Heute ist Tubac ein Künstlerstädtchen mit Malern, Bildhauern und vielen Kunsthandlungen sowie einem wunderschönen 27-Loch-Golfplatz. Im Clubhaus gibt es rustikale Tex-Mex-Küche, und an der Bar mixt Rodriguez die besten Martinis in Arizona – wie er zumindest behauptet.

Benjamins Liste empfahl uns für Tubac Elvira’s Restaurant. Mexikanischer geht es nicht. Hier ist alles „south of the border“ – die Einrichtung, die Speisekarte, die Getränke, die Atmosphäre. Kein Wunder: Elvira’s gibt es seit 1927 in Nogales, der mexikanischen Grenzstadt in der Nähe, bevor es nach Tubac kam. Die mexikanischen Gerichte wie Chiles rellenos, Enchiladas oder Steaks – die Hauptgerichte um $ 18 – sind vorzüglich.

Gar nicht weit von Tubac ließ sich in den Siebzigerjahren auch Stewart Granger auf einer riesigen Ranch in Kino Springs nieder. Dort lebte er glücklich und zufrieden mit seiner Ehefrau Jean Simmons, die, das erzählen zumindest die Einheimischen, auf ihrem pechschwarzen Hengst bei jedem Wetter über die Prärie jagte. Das Steakrestaurant am gleichnamigen Golfplatz ist berühmt.

Da saßen wir nun mit Stan von der Highwaypatrol und Frederic, dem Besitzer eines Friseursalons unten in Nogales. Die Stimmung war nicht gerade gut.

„Verdammte Idioten in Washington“, schimpfte Stan. Mit ihrer verdammten Mauer zu Mexiko. Wer putzt denn dann ihren Dreck weg, wenn sie keine armen Teufel von drüben haben?“ „Hast recht“, knurrte Frederic. „Denken nur an sich, die Politköpfe.“

Wir tranken Corona, das mexikanische Bier von jenseits der Grenze. Aus der Flasche, wie sich das gehört. „Der alte John hätte denen in Washington einfach eins draufgebrannt“, knurrte der Barmann, drehte sich um und schaute fast liebevoll auf das Bild hinter ihm. Dort hing ein signiertes Foto von John Wayne. Der war hier schließlich oftmals Gast.

Die meisten der großen Western mit John Wayne entstanden hier. Das Wetter ist immer schön, die Landschaft einmalig, Hollywood nicht allzu weit entfernt, und die Statisten – die bösen Indianer, die auf Kommando vom Pferd fallen mussten, wenn die Westernhelden sie besiegten – waren kostengünstig in den benachbarten Reservaten anzuheuern.

Dr. Gordon Dudd, Professor für Agrikultur an der University of Arizona in Tucson, wollte eines der großen Probleme Arizonas lösen: Wasser! Arizona liegt inmitten der Sonora-Wüste. Professor Dudd dachte nach und sagte sich: Weinreben wachsen über dreißig Meter tief, um Wasser, die kostbare Flüssigkeit, aufzuspüren. Also pflanzte er in den 1970er-Jahren ein paar Weinstöcke nahe Elgin. Die Weinstöcke grünten und gediehen prächtig. Sie hatten Wasser gefunden.

Der Professor hatte großen Spaß an seinen Weinreben und pflanzte weitere Stöcke aus. Das Weingut Sonoita Vineyards war geboren.

Und wo, bitteschön, speist man in Elgin und Umgebung? Nicht verzagen, Benjamins Zettel fragen. Der empfiehlt uns The Vineyard Cafe an der Kreuzung von Highway 82 und Highway 83, neben einem kleinen Supermarkt. Immer noch eines der besten Restaurants im südlichen Arizona, wo man zu vernünftigen Preisen – Hauptgerichte um $ 20 – hervorragend essen kann.

Und noch eine kulinarische Variante: Big Nose Kate’s Saloon ist der richtige Platz – und das seit 1880! Eine stilechte Cowboy-Bar mit schmackhafter Tex-Mex-Küche. Benannt nach Big Nose Kate, der Freundin von Doc Holliday und angeblich ersten Prostituierten der Stadt, die damals 5.000 Einwohner zählte …

Tucson ist wahrscheinlich eine der interessantesten und originellsten Städte Arizonas. Vor zweitausend Jahren siedelten hier die Hohokam-Indianer, die ihr Dorf am Fuße der Java-Felsen „Stjukshon“ nannten: „Quelle am Fuß der schwarzen Berge“.

Tucson nannten es dann die Spanier, die hier eine Befestigung gegen die Indianer bauten. Später gehörte Tucson zu Mexiko. Erst 1912 wurde Arizona ein amerikanischer Bundesstaat.

Der mexikanische Einfluss ist auch heute noch überall spürbar: in der Architektur, in der Musik und in der Küche. Die besten mexikanischen Restaurants Arizonas liegen in und um Tucson.

Das allerbeste, so behaupten die Einheimischen, ist das Cafe Poca Cosa. Auch wenn es von außen nicht gerade wie ein Feinschmeckertempel aussieht, innen präsentiert Suzana Davila, Besitzerin und Chefköchin, allerbeste original mexikanische Küche. Für jeden Tisch gibt es als Vorspeise warme Mais-Tortillas und eine Schüssel gut gewürzter Bohnen. Das Menu wechselt täglich.

Exzellent ist auch The Grill at Hacienda del Sol im Luxushotel zu Füßen der Santa Catalina-Berge – immer schon ein Hideaway für Hollywoodschauspieler wie John Wayne. Inmitten einer prächtigen Parklandschaft serviert man hier allerbeste Nouvelle Cuisine des Südwestens von Arizona. Und die Flamencoband spielt dazu prächtige Melodien.

Tucson ist teuer. Am preiswertesten ist es übrigens nach Ostern bis Ende September. Selbst in den teuersten und manchmal etwas hochnäsigen Hotels und Resorts zahlt man in der Zeit für eine Woche Aufenthalt nicht mehr als im Winter für ein Wochenende.

Sehenswert ist übrigens auch das Arizona-Sonora Desert Museum am Stadtrand von Tucson. Eigentlich ist es mehr ein Zoo als ein Museum, mit den Pflanzen und Tieren der Sonora-Wüste. Und siehe da, vor uns in einem Terrarium saß eine etwas verschlafen wirkende Schlange: „Rattlesnake – Crotalus“ stand auf einem Blechschild vor dem Fenster. Endlich sahen wir unsere erste Klapperschlange in Lebensgröße vor uns.

Und dann waren wir wieder zurück in Phoenix, der Stadt mit den Hunderten von Restaurants und Kneipen. Das beste von allen, behaupten die Phönizier, sei das Durant’s. Das Durant’s gibt es seit 1950 am gleichen Platz. Für das quirlige Phoenix fast eine Ewigkeit. Die wahrscheinlich besten Steaks der Stadt gibt es hier.

Doch wir wollten auch – auf Benjamins Liste die letzte Empfehlung – ins Los Dos Molinos mit seiner authentischen mexikanisch-regionalen Küche. Das folklore-bunte Restaurant am südlichen Stadtrand ist immer brechend voll. Reservierungen gibt es keine, man wartet im Innenhof mit einer Margarita in der Hand auf den nächsten freien Tisch.

„I’m Anita, your server tonight“, stellte sich die freundliche Bedienung vor und gab uns die Speisekarten. Mit fast verschwörerischer Stimme sagte sie dazu: „Unsere Spezialität heute ist Klapperschlange, mariniert in rotem Chili. Zart wie Kalbfleisch!“

Na, endlich lernten wir sie persönlich kennen!

www.thephoenician.com
www.voilafrenchbistro.com
www.tubacgolfresort.com
www.elvirasrestaurant.com
www.kinospringsgc.com
www.sonoitavineyards.com
www.vineyardcafesonoita.com
www.bignosekates.info
www.cafepocacosatucson.com
www.haciendadelsol.com
www.desertmuseum.org
www.durantsaz.com
www.losdosmolinosphoenix.com