Tipp Tour Tokio

Die Restaurantszene der japanischen Millionenstadt ist unüberschaubar. Mit persönlichen Empfehlungen kommt man da oft weiter als mit diversen Guides. Auf zu Tempura-Köpfen, brutzelnden Lilienknollen und der samtigsten Suppe ever!

Ich finde, ein paar Tage spontan ohne Plan, das ist gerade in Tokio spannend“, schreibt der eine. „Frühzeitig reservieren, da es sonst schwer wird, einen Tisch zu bekommen“, rät der andere. „Alles, wo eine Schlange davorsteht, ist meistens gut“, sagt der Dritte. Es gibt offenbar mehrere Arten, sich Tokios Lokalszene zu nähern. Und gleich vorweg: Auch der Mittelweg taugt etwas, also die Mischung aus Empfehlungen samt Reser­vierungen, ziellosem Herumstreunen und im Stadtplan vermerkten Tipps, die man, wenn zufällig in der Gegend, spontan aufsucht – mit der nötigen Bereitschaft, zumindest im Falle von Ramen-Adressen Schlange zu stehen. Angesichts von 234 Michelin-Stern-Restaurants, zahlreichen Sushi-Legenden und Tausenden Ramen-Lokalen allein im zentraleren Teil Tokios liegt es nahe, Tokio-erfahrene Bekannte auf ihre persönlichen Lieblinge anzuzapfen (und dabei auch einiges darüber zu erfahren, wie es hinter den Kulissen der Lokale zugeht). Das Gute an Tokio mit seiner gastronomischen Superauswahl: Es gibt kaum ein Falsch oder Richtig. Jedem entrüsteten „Was, du warst dort nicht?“ kann man mit seiner alternativen Auswahl an ebenso guten Lokalen augenblicklich die Luft auslassen.

Der junge oberösterreichische Koch Philipp Inreiter, einst im Noma auf Stage und nun Chef des höchst erfolgreichen Ramen-Lokals Slurp Ramen Joint in Kopenhagen, kennt Tokio nicht nur als Gast, sondern auch als Koch in Aktion. Seine Stationen waren das Dreisternerestaurant RyuGin (für den Tokio-liebenden Lukas Mraz übrigens „eines der beeindruckendsten Restaurants, in dem ich jemals war“) sowie die Ramen-Bar Hototogisu. Über seine Erfahrungen in Tokio erzählt Inreiter: „Nicht nur die Sprache ist anders. Alles ist anders. Wie man einander behandelt, was man tun darf und was nicht. Wie man den Tag anfängt und wann man ihn anfängt.“ Im RyuGin, einem der Lokale auf seiner Tokio-Liste (übrigens jenem mit dem Vermerk „Früh­zeitig reservieren …“), habe er um neun Uhr früh angefangen und sei teilweise erst um vier Uhr früh schlafen gegangen. „Solange der Chef da ist, der vielleicht erst um vier am Nachmittag kommt, darfst du nicht nach Hause gehen. Undenkbar.“ Auch wenn man sich mit ­ihnen schwer verständigen kann, bedeuten westliche Köche für japanische Gastronomen Status, meint Inreiter. „Und Status ist in Japan alles.“ Philipp Inreiter stand man daher einen Ausländerbonus zu, er wurde – anders als oft üblich – während seiner Tokio-Zeit nicht geschlagen. An sich sei das in vielen Küchen nämlich völlig normal. „Watschen, Arschtritte, alles. Aber es gibt auch eine andere Seite: So hart Japaner gegen­über anderen sein ­können, so sehr wissen sie gute Arbeit zu schätzen.“

Gute Arbeit hängt in japanischen Küchen oft mit Spezialisierung zusammen. Einer von Inreiters Tipps ist daher das Osoba No Koga, ein Soba-­Lokal unweit des Nezu-Museums im ebenso wohlhabenden wie hügeligen Stadtteil Roppongi, der an dieser Ecke fast dörflich wirkt; eine wenig befahrene Straße mit niedrigen kleinen Häusern, zum Teil mit einem expliziten Faible für Architektur errichtet – manches superschmale Bauwerk erinnert sogar an Erwin Wurms absurdes Narrow House. Drinnen erspäht der Gast gleich neben dem Eingang in einer Kammer eine steinerne Getreidemühle: Im ­Osoba No Koga walzt und schneidet man nicht nur die Buchweizennudeln selbst – in vielen Soba-Lokalen Ehrensache –, sondern mahlt auch das Mehl dafür im Haus. Der Teig besteht zu neunzig Prozent aus Buchweizen, der nach eigenen Angaben direkt von einer kleinen Farm kommt, und zu zehn Prozent aus Weizen, zwecks Elastizität. Auf einer Schiefertafel informiert das Lokal in japanischen Schriftzeichen über die aktuelle Sake-Auswahl, wie die Chefin mit Englisch-Bruchstücken zu erklären versucht. Die Speisekarte listet, auch auf Englisch, das hiesige Pflichtprogramm Soba in verschiedenen Varianten: heiß oder kalt, pur, in Brühe oder – Inreiters dringende Empfehlung – als Uma­mi-Version mit Seeigel und nadeldünnen knusprigen Algenstreifen. Auf Soba beschränke man sich allerdings tunlichst nicht, sondern bestelle vorneweg eine Auswahl an Kleingerichten wie die Teriyaki-Hühnerleber oder Furuzuke, ge­reifte eingelegte Gurkenscheiben – allein um in den ­Genuss der für Japan so typischen herzerfrischenden Mischkulanz an Geschirrminiaturen zu kommen. Die Soba selbst sind ein Genuss, der ein Sensorium für Subtilitäten erfordert. Die hiesigen Nudeln brüllen nicht in voller Lautstärke „Wir sind besser als die anderen!“ (Das wäre auch völlig unjapanisch.)

Ebenfalls von der spezialisierten Sorte und in Fußmarschnähe der U-Bahn-Station Roppongi gelegen ist das Tempura-Lokal Mikawa, das man laut Philipp ­Inreiter aufgrund der Reservierungslage eher mittags besuchen sollte. „Ein Menü, bestehend aus frittierten Gerichten“, lautet seine Erläuterung. „Man darf sich darunter aber kein fetttriefendes Schnitzel vorstellen. In Japan hat man die Kunst des Frittierens perfektioniert. Nach einem Sechs- bis Acht-Gänge-Menü fühlt man sich, als hätte man einen großen Gartensalat gegessen.“ Das Mikawa liegt inmitten eines blitzsauberen, pittoresken Betonplattform-Ensembles aus Springbrunnen, christlicher Schule und mehreren noblen Lokalen; ganz in der Nähe übrigens: L’Atelier de Joël Robuchon. Die Fassade des Mikawa ist über und über mit Blattgold und flatternden Täubchen verziert, die womöglich auf die Leichtigkeit des hier servierten gülden Frittierten hinweisen sollen. Das Interieur: ein Tresen rund um eine Frittierküche und ein Verschlag, in dem eine strenge ältere Dame sitzt, die offenbar den hiesigen Rechenstift fest umklammert hält. Der Tempura-Meister hat Schneidbrett und Steingut-Weitling, aus dem über­dimensionierte Holzstäbchen ragen, vor sich. Was er zugeputzt hat, etwa Spargel, Aal oder Kaisergranat, wird mithilfe der Stäbchen in Teig getaucht und im ­heißen Öl versenkt. Nach und nach werden dem Gast einzelne Stücke Frittiertes auf die vor ihm auf der Budel befindliche Schale samt Löschpapier gelegt. Spargel kommt in zwei Gängen, die Spitzen zuletzt, dann Schwanz und Kopf des Kaisergranats. „Nur mit Salz essen“, gibt der Tempura-Meister bei Letzterem zu verstehen, anderes darf man in eine Mischung aus Sojasauce und geriebenem Daikon tauchen. Die Bewegungen des Kochs scheinen schlafwandlerisch sicher. Und solange das Öl noch brutzelt, macht er schnell eine Fuhre Tempura für das Personal.

Philipp Inreiter folgend, geht es auch ins frankojapanische Zweisternelokale L’Effervescence (das vor und während dieses Tokiotrips intern ­unter „Lefferdingsbums“ firmiert). Die Gegend ist nun fast schon ein alter Bekannter. Im „Lefferdingsbums“ werkelt in der Küche im Untergeschoß gerade der Wahlösterreicher Igor Kuznetsov; der gebürtige Russe ist in Tokio auf Stage, während sein Team im Wiener Lokal Karma Ramen die Stellung hält. Das L’Effervescence bietet nicht nur grandioses Sauerteigbrot sowie Savagnin aus dem Jura und Christian Tschidas Himmel auf Erden, sondern auch Einblicke in die enge Verzahnung von französischen Techniken und japanischen Zutaten. Diese betreibt man schließlich in zahlreichen Toprestaurants Tokios ebenso fanatisch wie in Paris. Fisch wird im L’Effervescence in Molke pochiert und mit Yuzu-Bernaise bedeckt oder gegrillt und mit einem Frischkäse kombiniert, für den Milch mit Sake-Hefe stocken durfte. Als Dessert: Moelleux au chocolat und kandierte Maroni, dazu grünes Chrysanthemenblatteis, Mandarinensauce und gelbe Chrysanthemenblütenblätter. Ein Gericht, das wie so oft in ­Japan eine Szene aus der Natur, in diesem Fall einen Spaziergang, nachzeichnen soll.

Noch spannendere frankojapanische Geschichten erzählt indes das Restaurant des ungewöhnlichen, 2016 eröffneten Hotels Hoshinoya nahe Tokyo Station, eine äußerst dringende Empfehlung der in Tokio lebenden Food-Journalistin und Sake-Expertin Melinda Joe. Sie kennt auch all jene Lokale, die derzeit auf der Asia’s 50 Best-Liste weit vorne liegen, etwa das Den, das Florilège oder natürlich das Narisawa, hat aber doch ihre persönlichen Lieblinge. Wie eben das Hoshinoya. Betritt man das Hotel durch seine kaum zu findende Tür, verlangsamt sich auf der Stelle der Herzschlag. Lobby im üblichen Sinn gibt es keine, dafür hat Architektin Rie Azuma eine sakral anmutende, lang gestreckte ­schmale Halle als Entree vorgesehen. Man drückt seine Schuhe einem wie aus dem Nichts erscheinenden Mitarbeiter in die Hand und wandelt fortan lautlos auf Socken über die Tatami-Matten, die fast im gesamten Hotel den Boden auskleiden. Im völlig entrückten Restaurant Hoshinoya im Untergeschoß, das sich als Ensemble aus diskret angeordneten Separees entpuppt – grauer roher Stein an den Wänden, auf dem Boden schwarzes Holz – bewegt man sich ebenfalls schuhlos. Auf die französische Ausbildung und den dritten Platz des Küchenchefs Noriyuki Hamada beim Kochwettbewerb Bocuse d’Or 2013 ist man hier sehr stolz, betont aber stets, dass alle ­Zutaten der Hoshinoya-Küche aus Japan stammen. Das Menü kommt als winziges gefaltetes Stück Papier, darauf liest man nur einige Stichworte: Seeteufel etwa oder Erdbeere. Schon die Amuse-Bouches und erste Vorspeisen zeigen, hier ist Großes im Anrollen. Cracker aus Fischknochenmehl, Bambuskohle und Langem Pfeffer aus Okinawa. Erdäpfelkrokette, in Chrysanthemenblattpulver gewälzt. Röllchen aus Krabbensalat mit Yuzu in seidendünner Apfelscheibe mit kandierten Shisoblättern darauf. Maronimousse in Maroniform, glaciert mit Portweingelee, getoppt von weißem Mohn. Krabbenflan mit Krabbenrogen, Krabbengelee, Eierstich und Schnittlauch. Feinste Tintenfischblätter mit Creme aus hausgemachter sepiagefärbter Blutwurst. Am besten, man entscheidet sich im Ho­shinoya für eine Sake-Begleitung. Da kommen nämlich wahre Preziosen zu Tisch: Sake aus seltenen alten Reissorten, lange bei niedrigsten Temperaturen ­gereift, sowie Natur-Sake, der nur ein bis zwei Prozent der Gesamtproduktion ausmacht. Alle in Gläsern serviert, die der japanische Weltklasse-Sommelier Shinya Tasaki entwickelt hat.

Einer der Höhepunkte des Menüs: eine knisternd brutzelnde Lilienknolle in einem gusseisernen Pfännchen, die noch bei Tisch immer und immer wieder mit flüssiger Butter übergossen wird. Dazu ein Klecks Sauce béarnaise, statt mit Estragon- mit Kirschblütenessig ­gerührt. „Die Lilienknollen brauchen sechs Jahre, bis sie so groß sind. Und nach der Ernte braucht das Feld sieben Jahre Ruhe“, erzählt die servierende Sake-Sommelière in perfektem Englisch (was in Tokio bei Weitem keine Selbstverständlichkeit ist, aber nun einmal notwendig, wenn man eine Küche wie die hier gebotene zur Gänze erfassen will). Auf das Lilienknollen-Gericht sei Chef Noriyuki Hamada besonders stolz: „Es ist nämlich für Einheimische genauso neu wie für Aus­länder. Ausländer kennen diese Knolle gar nicht, und Japaner kennen sie nicht als Ganzes, weil sie sonst ­immer nur in Segmente geteilt serviert wird, zum Beispiel kirschblütenrosa eingefärbt als Dekoration. Die Segmente sehen ja aus wie fette Blütenblätter.“ Nächster Gang: eine Seeteufel-Consommé, dazu ein Tupfer Seeteufelleberpaté – die Leber in Sake gekocht, bevor sie mit Butter und Obers gemixt wird – und ein win­ziges Gazesäckchen mit geriebenem Ingwer, den man für den gewünschten Würzgrad selbst über der Essenz ausdrücken möge. All das wird auf geputzten Ästen oder in Geschirr und Holzboxen angerichtet, die zum Teil extra für das Hoshinoya angefertigt wurden. „Wenn ich diesen Teller zerbreche, wird der Chef sehr, sehr böse“, sagt die Kellnerin mit vorsichtigem Lächeln, als sie das Dessert serviert: eine ausgehöhlte Yuzu, die mit Walnusseis, Erdnusscrumble, Yuzucreme und Baiser gefüllt ist, arrangiert auf einem schwarz-silbernen Keramikteller, der wie aus gedrücktem Metall scheint. Und bevor man aus der absoluten Stille dieses Restaurants, die unter Verbeugungen ausgehändigten Schuhe wieder an den Füßen, auf Tokios Straßen zurückkatapultiert wird, gibt es noch süße Winzigkeiten: schwarze Sesamfinanciers, Sojamehl-Marshmallows, Kumquat-Reispudding, Florentiner mit gepopptem Buchweizen. Ein selten magischer Ort.

Das Hoshinoya sei Pflicht, schreibt also die Journalistin Melinda Joe, ebenso aber das Shirosaka. „Geht hin, solange es noch so günstig ist. Es kann nicht mehr lang dauern, bis die Burschen gehypt werden.“ Das Shirosaka ist ein kleines, junges Omakase-Lokal mit einem schmalen Zen-Garten davor, in einer Seitengasse im belebten Viertel Akasaka gelegen. Omakase bedeutet so viel wie „ich überlasse es dir“, man serviert also nur ein Menü. Das Shirosaka in Zahlen: zehn Plätze am Tresen an der offenen Küche samt japanischem Grill, der jeweils um 16.30 Uhr angeworfen wird, „damit sich die Kohle beruhigen kann“, vier Plätze in einem Separee, rund zehn Gänge, elf offene Sake, die man aus ebenso edlen wie schweren gekühlten Metallbechern trinkt. Chef Hideki Ii ist Chinese, Souschef Max Barber halb Japaner, halb Brite, die Küche des Shirosaka gibt sich also dementsprechend undogmatisch, aber dennoch sehr fokussiert. Nach und nach reichen die Chefs kleine, meist überaus schlichte Gänge wie roh marinierte und zart angekokelte Makrele über die Budel, die Tellerchen passend zur Farbe des Fischs ausgesucht. In einer roten Lackschale kommt Thunfischtatar mit Seeigelgelee und einem ­Onsenei, dazu ein mit Shiso gefüllter Cracker. „Bitte ­alles vermantschen!“, heißt es. „Mitsamt dem Cracker?“ „Auf jeden Fall!“ Die Abalone mit einer Sauce aus Abalone-Leber hat eine Textur, die Donald-Duck-Übersetzerin Erika Fuchs wohl mit Doing! beschreiben würde, dazu gibt es Röstbaguette. Auf manches Grillgut, etwa Bambussprossen oder Wagyubeef, wird Sake gesprüht, und zum Wagyubeef trinkt man den Sake Nabeshima Daiginjo, der ebenso aus der Präfektur Saga stammt wie das Fleisch. Eines der Desserts im Shirosaka: eine Version des Japanese Cheesecake, ein Ziegel aus Frischkäse­eis, wie eine Crème brûlée abgeflämmt, mit geschmorten Äpfeln und Crumble. Und noch während die Gäste ­essen, packen die Köche mit ruhigen Bewegungen zusammen und ordnen alles für den nächsten Tag.

Ähnlich viele glasweise ausgeschenkte Sake wie im Shirosaka bekommt man in der Bar Yata im zehnten Stockwerk eines dichtgeschoßigen Gebäudes mitten im quirligen Viertel Shinjuku. Man fährt mit einem engen Lift hinauf, hat oben die bunten Abendlichter der Straßen im Visier, während man verschiedene Sake kosten und sich erklären lassen kann. „Das Yata ist ein Geheimtipp für ,Sake Aperitivo‘“, sagt Melinda Joe. Gegen eine Pauschale von rund zwanzig Euro kann man zur Vorabendzeit Sake kosten, bis die Zeit um ist. Neben verschiedenen hochwertigen Sake und Kleinstgerichten kann beziehungsweise soll man auch von den ausgesuchten Sojasaucen kosten, die in einem Setzkasten an der Wand warten. Sojasauce und Sake, das hält man im Yata für ein grenzgeniales Paar – ein paar Tropfen dunkles Elixier, einen Schluck passenden Reiswein dazu. Und tatsächlich, zwischen falschen und richtigen Kombinationen liegen Welten.

Genauso wie zwischen guten und weniger guten Ramen, um zu ­einem Thema zu kommen, das derzeit so viele interessiert. Etwa Lukas Mraz, der im Herbst im väterlichen Restaurant Mraz & Sohn einsteigen wird, Eduard Dimant vom Mochi und vor allem Brian McDuckston, seines Zeichens Ramen-Hunter in Japan und ein Bekannter von Philipp Inreiter. Edi Dimant empfiehlt die Ramen-Bar Konjiki Hototogisu im Bezirk Shibuya, eine der Adressen, die er vor der Eröffnung des Mochi Ramen aufgesucht hat. Sie hat nachhaltig Eindruck hinterlassen, unter anderem deshalb, weil Dimant eine von nur zehn Portionen einer Spezialsuppe an jenem Abend ergatterte, mit Matsutake-Pilzen, Yuzu-Schale, Mizuna und Entenfett. Außerdem auf Dimants Liste: Toka in Shinjuku. Was man dort erwarten kann? „Thai-Ramen mit einer Fischbrühe. Das ist eher selten zu finden. Die Brühe war so klar und fein im Geschmack, so etwas Komplexes habe ich noch nie gegessen. Ein Hauch von Jakobsmuscheln und die Süße von Garnelen. Für mich eines der besten Erlebnisse in Tokio 2017.“ Lukas Mraz indes, der Mails, sobald es um ­Japan geht, mit Luki-san unterschreibt, rät, in guten Ramen-Lokalen eine halbe Stunde vor dem Aufsperren da zu sein, „dann kann man Glück ­haben und die Schlange ist nicht zu lang“. Sein Highlight: Kagari Ramen im U-Bahnhof Ginza. „Paitan-Ramen auf Chicken-Basis. Die samtigste ­Suppe, die ich je gegessen habe.“ Das Kagari Ramen liegt tatsächlich in der Station, an einer Ecke in einem Zwischengeschoß, wo die Fahrgäste verschiedener Linien vorbeieilen. Ein Absperrband hält die Wartenden in Reih und Glied, sie werden von einem Mitarbeiter unter dessen Mundschutz hervor schon in der Schlange nach ihrer Bestellung gefragt. Das System funktioniert: Sobald einer der acht Plätze am Tresen frei ist (mehr gibt es nicht, das Lokal ist winzig), wird man hineingerufen und bekommt von einem der Köche augenblicklich die bestellten ­Ramen herübergereicht. Und egal, welches Topping man gewählt hat – Lukas Mraz und seinem Schwärmen von der samtigsten Suppe ever kann man nur beipflichten.

Welche Ramen tatsächlich gerade die besten der Millionenstadt sind, versucht Brian McDuckston herauszufinden. Der ­kalifornische Zweimetermann mit österreichischen Wurzeln lebt seit elf Jahren in Tokio, spricht mittlerweile ganz passabel Japanisch und gilt als einer der wichtigsten „Ramen Hunter“. Erst waren Ramen nur ein Hobby für ihn; heute ist er in ganz Japan unterwegs, isst „täglich mindestens einmal Ramen“ und lebt zum Teil schon von seinem Blog Ramen Adventures, seinen ­Büchern und Touren. Diese Ramen-Adventure-Touren scheinen mit rund neunzig Euro pro Person für je zwei Schüsseln Nudelsuppe vielleicht nicht gerade günstig, sie sind aber für jeden ­Ramen-Nerd in spe wegen der vielen Insiderinformationen zwischendurch ein Muss; und McDuckston führt bei Bedarf auch in Privatissimum-Form. Er holt seine Teilnehmer stets im Hotel oder an einem anderen ausgemachten Treffpunkt ab und hat schon vorab zwei möglichst unterschiedliche Lokale ausgewählt, die von dort gut zu erreichen sind. „Wir essen auf den Touren immer mildere Ramen als Einstieg und danach ärgere.“ Die milden können etwa auf Basis einer Venusmuschelbrühe sein, wie ihn das Mugi to Olive in Ginza serviert, während für die Kategorie „ärgere Ramen“ etwa das von roten Teufelsfratzen bevölkerte Kikanbo gut ist, wo alle Ramen den die Zunge betäubenden Szechuanpfeffer enthalten. Im Kikanbo wählt man den ­gewünschten Schärfegrad schon am Automaten, bei dem man wie in so vielen Ramen-Bars Tokios vorab ein Ticket kauft. Und egal, wo Brian McDuckston die Teilnehmer seiner Ramen ­Adventures auch hinführt – in den Lokalen selbst erzählt er kaum etwas. Vielmehr schärft er stets allen ein: „Ramen sind Fast Food. Iss und geh.“ Für lange Menüs gibt es schließlich in Tokio unzählige andere Adressen.

Soba mit Buchweizenmehl aus eigener Mühle, Reservierung ratsam:
2 Chome-14-5 Nishiazabu, Minato-ku, Tokyo-to 106-0031
www.osobanokouga.com

Mikawa
Meisterhafte Tempura als Menü, besser mittags hingehen.
6 Chome-12-2 Roppongi, Minato-ku, Tokyo to 106-0032
www.roppongihills.com

L’Effervescence
Frankojapanische Zwei­sterneküche mit spannender Weinkarte, mittags ist dasselbe Menü deutlich günstiger:
2 Chome-26-4 Nishiazabu, Minato, Tokyo 106-0031
www.leffervescence.jp

Hoshinoya
Betörende frankojapanische Küche im ungewöhnlichsten Luxushotel Tokios, unbedingt die ­Sake-Begleitung zum ­Menü bestellen.
1 Chome-9-1 Otemachi, Chiyoda, Tokyo 100-0004
www.hoshinoya.com

Shirosaka
Modernes Omakase-Lokal mit kleinem Vorgarten, die Köche hinter dem Tresen sprechen perfekt Englisch, große Sakeauswahl.
6 Chome-3-9 Akasaka, Minato, Tokyo
www.shirosaka.com

Yata
Sake-Aperitivo, zeitlich begrenzt gegen Fixpreis.
3-14-22 Shinjuku 10f, Shinjuku 160-0022

RAMEN

Konjiki Hototogisu
2 Chome-47-12, Hatagaya, Shibuya, Tokyo 151-0072

Toka
Shinjuku-ku, Funamachi 12–13, Tokyo 160-0007

KAGARI RAMEN:

Kikanbo
unterirdisch in Ginza-Station, nahe Exit C2 (einer der vielen Tipps, die Brian ­McDuckston von
www.ramenadventures.com zu bieten hat, Tour um rund 90 Euro):
2 Chome-10-9 Kajicho, Chiyoda, ­Tokyo 101-0044