Das Gelbe vom Landei

Schönscharf. Wenn ZiB-1-Anchorman Tobias Pötzelsberger die Rote Currypaste mörsert. Als Innviertler Doubleface, akribisch & tiefenentspannt zugleich. Als Innenpolitikreporter, Moderator, Musiker, Koch – aktuell herausgefordert vom perfekten Schweinsbraten-Krustl.

Text von Ro Raftl Fotos von Stefan Fürtbauer

Chilifruchtig, chilifeurig, Chili kühlt den Körper ab. Korrekt: Capsaicin, das Schärfemolekül in der Schote. Ha! Ein Puzzlestein. Um die beinah buddhistische Gelassenheit des neuen ZiB-1-Achorman Tobias Pötzelsberger in allen aufregend lebensverändernden Zuständen des vergangenen Jahres zu begreifen.

Sie wissen: Sechs Stunden souverän kompetente Moderation, als das Ibiza-Video die türkis-blaue Regierung sprengte. Ovationen in den sozialen Medien, ein Hype um seine Person, Anstieg seines Twitter-Accounts von 200 Followern auf fast 5.000. Das alles. Hat er nur nett bescheiden kommentiert: „Ich war einfach da. Zum Wochenendfrühdienst eingeteilt.“

In Folge. Die ORF-Sommergespräche. Die erfolgreichsten ihrer Geschichte. Kein Wunder allerdings, vor dieser ganz speziellen Wahl. Selbst wenn Ster- und Grissemann in Willkommen Österreich Pötzelsbergers Lächeln als seine unwiderstehlichste Waffe decouvrierten. Hihi, mit einer Lächelparade, Bildern von ihm und allen zurücklächelnden Parteichefs. Darüber hinaus Armin Wolf & Peter Filzmaier zur Analyse der pötzelsbergerischen Performance bemühten – nachdem er den einzigen Status enthüllt hatte, bei dem er „nervös“ wird: vor Auftritten als Singer-Songwriter mit seiner Band The More or The Less. Tapfer also schlug TP die Gitarre an und forderte schmelzend: Show Me Where Your Heart Is. „Brillant der Übergang vom seriösen ins seichte Fach“, so „Filzis“ Diagnose, beinah „bundeskanzlertauglich“. Preiswürdig jedenfalls: Der Oberösterreicher aus Lochen am See wurde zum Journalisten des Jahres gewählt, zum Beliebtesten Moderator in der Kategorie Information bei der ROMY, und begann Anfang Mai – grad noch 36 – bei der ZiB 1.

„Geschmeichelt“ fühlt er sich von all dem Trara, klar, doch erdig, wie er ist, denkt er gleich auch „die Fallhöhe mit. Jede Konjunktur ebbt wieder ab.“ Vor allem sei er „zufrieden“. Dass er sich „beweisen konnte“ an einem der größten Skandale der 2. Republik: „Träumst ja als Journalist auch, bei etwas Großem dabei zu sein.“ Ja. „Das wichtigste Jahr meines beruflichen Lebens.“ Glücklich?

„Glück ist was für Augenblicke“, greift er auf den Buchtitel der seit Kindertagen bewunderten Christine Nöstlinger zurück. „Ich war über meine Erfolge verblüfft und scherte mich weiter nicht darum“, schreibt sie da. Tobias hat sie inhaliert. Erklärt sich gern zum „Innviertler Landei“. Haha. Mit scharfem Eck. Denn. Will er sich selber belohnen oder Freunde bespaßen, gibt er sich der aufwendigen Zubereitung eines Red Thai Curry hin. Wir haben es geahnt. Und gehen chilifruchtig essen.

Scharf macht glücklich, heißt es in Asien. „Schönscharf“ sagt Hubert Mauracher. „Geht ja nicht um Höllenschärfe, sondern um die Synthese divergierender Aromen, süß, sauer, bitter, salzig, fettig, scharf, umami.“ Die Begegnung des Countryboys Pötzelsberger mit dem Countryboy Mauracher wirkte befeuernd in mehrfacher Hinsicht.

Wir holen aus: TP kocht. Mit Vorliebe indisch-thailändisch, „super, ohne Milchprodukte, denn da gibt’s eine Unverträglichkeit“. Klar hat er in Thailand einen Kochkurs besucht, und klar, kaum 2018 nach Wien übersiedelt, das schönscharf von Hubert Mauracher am Laurenzerberg in 1010 Wien. Um den Geschmack der Thaiküche authentisch im Mund zu spüren. Bei Yum Woon Sen, dem scharfen Glasnudelsalat. Beim Streetfood-Klassiker Pad Kra Pao Gai. Immer wieder, bis zur Stammgast-Lizenz.

Einmal. Sei ein Thai nach dem Essen in die Küche gekommen und wollte die Thaifrau sehen, die da kocht, erzählt die Legende über den coolen „Hubi“. Mauracher, Zillertaler Hotelierssohn, der nach der Hotelfachschule mit der Oma in der Küche stand, nebenher Musik machte, die Band Mauracher gündete – doch das Hotel nicht erben wollte. Nach Wien ging, weit steiniger als in den Tiroler Bergen, bis er sich als fixe Größe in der heimischen Musikszene etabliert, ein südostasiatisches Lokal in den Kopf setzte. Es wurde ein industrialchicer Schlauch am Laurenzerberg, primär auf Take Away gepolt, doch auf acht Plätzen kann man auch sitzen. Und. Nach Anmeldung donnerstags und freitags in Maurachers siebengängigem Abendmenü schwelgen.

Fazit: Thaiküchenvernarrter Journalist und junger Musiker (zwei CDs) trifft FM4-Heroen (sechs CDs) und Koch mit Thaiküchen-Expertise. Schmeckt nach großem Bruder. Chilistöckeln pflastern ihren Weg!

Und Fragen über Fragen. Zu den wichtig-richtigen Kräutern, Koriander, Thaibasilikum, Limette, Zitronengras, Ingwer … Zu Bioqualität, sofern sie aus österreichischem Anbau kommt, wie etwa Tulsi, das „Heilige Basilikum“. Zu Austernsauce, Fischsauce, Sojasauce, Garnelenpaste.

Huberts Tipp: Frau Li und Herr Lai vom Sino Asiashop an der Rechten Wienzeile. „Sie liefern an Kräutern, was man sich wünscht. Corona hat natürlich alles auf den Kopf gestellt, und man musste sehr ungern oft zu Tiefgekühltem greifen.“

Nun. Little brother Tobi hat big brother Hubi bekniet, ihn die Zubereitung des Roten Thai Curry zu lehren. Alter Schwede! Den irren Aufwand von Winzighacken der Zutaten für die Rote Currypaste, vorsichtigem Rösten von Kreuzkümmel und Korianderkörnern, Limettenzestenschneiden und die Garnelenpaste tunlichst nicht mit den Fingern berühren, weil die sonst sehr lange sehr intensiv stinken. Das feinste Zermörsern aller Ingredienzien.

„Ich hab von jedem Arbeitsgang Fotos gemacht“, sagt Pötzelsberger. „Und daheim getüftelt. Jetzt. Kann ich sagen, dass mir das RTC in gleichbleibender Qualität gelingt. Kommen Freunde, darf jeder eine Runde mörsern. Das ist wie ein Gesellschaftsspiel und macht den meisten großen Spaß.“

Bier dazu. „Augustiner vom Müllner-Bräu Salzburg“, schwört Pötzelsberger. Das. Ist die einzige Divergenz zu Koch-Brother Mauracher. Der schwört auf Zillertaler: „Kleine Privatbrauerei, in Wien ganz schwer zu bekommen“. Tobi trocken: „Ich mag kein Pils. Viel zu herb. Zu viel Kohlensäure.“

Knapp. Bündig. Klar. „Beobachten, darstellen, aufzeigen, erklären“, das sollten Journalisten. Er denkt, er sei von Mutter Erni geprägt. Volksschullehrerin, Zeitungsleserin, in der Gemeindebibliothek engagiert. Dort hat er Nöstlingers Geschichten vom Franz verschlungen, sich wiedergefunden in diesem kleinen schmächtigen blondlockigen Buben. Brav war er. Nach der Hauptschule stand er täglich im Morgengrauen auf: „Der Bus ins Musische Gymnasium in Neumarkt am Wallersee fuhr um 6 Uhr 20. Mutter hat darauf gedrängt, dass meine Schwester und ich Matura machen … Ihrer Interessen wegen“, meint er, „hab ich vielleicht auch begonnen, Kommunikations- und Politikwissenschaften zu studieren.“ In der ZiB bewunderte er Robert Hochner, dessen Satz „Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv“ ihm noch heute den Rücken stärkt, wenn einstudierte Inszenierungen der Befragten die Inhalte zu überwuchern drohen.

Parallel zum Studium hat er beim Sender Radiofabrik, den Salzburger Nachrichten (im Kulturressort), endlich im ORF-Landesstudio Salzburg praktiziert. Learning by doing. Erfahrung sammeln. Sich „hochdienen“. Vom kleinen Radioreporter, Nachrichtensprecher, Chef vom Dienst, zum Fernsehen, zu „Salzburg heute“, live moderiert. Das Politikstudium schloss er mit der Magisterarbeit „Die Gewerkschaftsbewegung nach der Bawag-Krise“ ab.

Prägte die Mutter sein Denken, prägte der Vater seinen Geschmackssinn. Überirdisch kochende Oma gab es keine. „Die Großeltern hatten einen Bauernhof, auf dem sie sehr viel gearbeitet haben, auch geschlachtet, die Schweine zerlegt und eingefroren. Da gab’s meist nur eine Jausen: mit gutem, vernünftigem Schwarzbrot und Speck. Die sauren Suppen und die Torten der Tanten hab ich ausgelassen“ – ahja, das Problem mit den Milchprodukten. „Es sei denn, eine Tante hat die Bananenschnitte netterweise ohne Creme, nur aus Teig, Bananen, Schoko extra für mich gemacht.“ Sein liebstes Kindheitsessen? „Hm, die Bolognese meiner Mutter.“ Vater Herbert aber hat sich fürs Kochen begeistert. „Am liebsten für viele Leute. Seinen Zwiebelrostbraten, sein Gulasch, die Semmelknödel dazu, seine Grillereien mag ich schon sehr. Ach ja, und seinen Schweinsbraten.“ Nicht selten telefoniert Tobias mit dem Papa zwecks Feintuning gewisser Rezepte. Neulich ging’s um Linsen mit Speck. „Und wenn ich heimfahr, kommt vorher der Anruf: Was willst denn essen? Ich darf es mir aussuchen. Schön! Freu mich über fast alles, auch über ein gutes Sonntagsschnitzel oder frische Forellen aus der Mattig.

Obwohl. Fisch ess’ ich am liebsten in Kroatien, ein Mal im Jahr auf jeden Fall: der Branzino oder der Petersfisch im Restaurant Viking am Limski Fjord sind unfassbar gut. Im Monte, oben im Ort, frön ich einem anderen Gericht: 24 Stunden geschmortem Schweinebauch.“

Natürlich. Begann er in der Studenten-WG zu kochen. Nicht gleich, nicht in der ersten in Schallmoos. Da lief eine Wette mit dem Mitbewohner: „Wer hat den höheren Frankfurterverbrauch?“ In der zweiten aber: „Gute Küche und ein Kumpel, der den Herd zum Glühen brachte. Das stachelt an. Zu Daskannichauch. Also. Kochbücher, Journale, Internet. An den Herd!“ Perfektionistisch. Probiert TP was Nochniegekochtes, dann gleich ein paar Tage hintereinander, bis es so ausgewogen schmeckt, wie es sein Gaumen in Erinnerung hat. Ein Arbeiter. Immer. Der den Sound der kirchenchorgeschulten Stimme nicht im Badezimmer vertröpfeln ließ, sondern mit 16 eine Band gegründet hat, Folk-Pop, Blues-Rock oder so … Drangeblieben ist. Sozialisiert von den Beatles, Simon & Garfunkel, Bob Dylan, Eric Clapton. Die dritte CD für The More or The Less ist fertig geschrieben, sollte längst erschienen sein. Konzerte wollte er geben im Herbst 2020. Corona! Tja. Sein zweites Werk heißt übrigens Keep calm.

Arbeiter. Konsequent. Inklusive der „höheren Grundbereitschaft“, allzeit parat zu stehen. Als die Süddeutsche Zeitung am 17. Mai 2019 um 18.00 Uhr eilmailte: „Video bringt Österreichs Vizekanzler in Bedrängnis“, hatte er sich gerade ein Bier bestellt. Eilig bezahlt, ab ins Archiv!

Als Trainingscamp lobt er das Radio: „Da lernst, selbständig zu arbeiten, gut zu beschreiben, in Bildern zu sprechen, schnell und genau, auch unter Druck.“ Nebstbei hegte er sein „Steckenpferd“, die Zeitgeschichte der letzten 20, 30 Jahre, Jörg Haiders Aufstieg, die erste Koalition von Schwarz-Blau 2000, den Umgang mit Macht und mit Inszenierung. „Tja, die Show nimmt viel Platz ein. Ich denke, wir sind wandelnde Lügendetektoren, sollen das Richtige vom Falschen trennen. Irgendwann wird es ein Handwerk. Schließlich kochen alle mit Wasser.“ Das. Mit Pötzelsberger-Lächeln wie in den Sommergesprächen. Am Traumziel ZiB 1 lächelt er bissl weniger. Manche Fans finden ja, dass seine Talente verschwendet werden. Hm. Neue Rollen sind gewöhnungsbedürftig. Das Profil wird sich schärfen. Zukunftspläne wehrt er ab. Gut, seine Stärken sieht der Innenpolitikjournalist im Interview. Ja, die Moderation von Club 2, Runder Tische, Pressestunden oder einer Sendung, die es noch gar nicht gibt, könnte er sich durchaus vorstellen. Später.

Jetzt. Ist Pötzelsberger Pendler. Mit verfestigter Neigung zur eigenen Küche. Er kocht – fast – jeden Tag. Sehr oft Pasta, für die mit Thunfisch braucht er 10 Minuten. Für den Nudelsalat im Sommer – Rucola, Tomaten, guter Essig, gutes Olivenöl – nicht viel länger. Und das Kartoffelgulasch köchelt eh vor sich hin.

Er. Fügt ein feingehacktes Gurkerl hinzu. Alles bio? „Nicht zwingend. Vom Markt, vom Bauern, auch aus konventioneller Landwirtschaft. In Lochen haben wir drei Fleischhauer auf 2.700 Einwohner. Denen vertrau ich, und den guten Innviertler Wiesen. Am Mattsee wachsen die Kräuter wild, da pflück ich mir Vorrat für ein ganzes Jahr.“ Pfefferminze und Salbei beispielsweise für den Tee, den er sommers wie winters trinkt. Kaffee nur ganz wenig.

„Wenn ich mir was gönnen will, fahr ich zum Obauer. So eine gute, kluge Küche mit Witz & Verve. Da pfeif ich auf 15 Gänge & Schäume aller Mikrobiologen. Ein kleines Menü und ich bin sehr zufrieden.“

Tobias wohnt wieder in Schallmoos, in der Nähe seiner ersten WG. Mit Sohn Felix, fünf, und dessen Mutter, einer Ärztin, die er vor zehn Jahren zufällig kennenlernte – um ihr danach auf Facebook zu schreiben. So. Nahm alles seinen Lauf. Er kocht. Sie bäckt. Er kostet gern, ein kleines Stück, und freut sich, wenn’s den anderen schmeckt.


Rotes Thai Curry
für 2–4 Personen

Rote Currypaste
1,5 EL Knoblauch
2 EL Zwiebel
5 große getrocknete rote Chilis in Wasser eingeweicht
1 EL Galgant
1 EL Korianderwurzel
2 EL Zitronengras
10 schwarze Pfefferkörner,
10 Korianderkörner (angeröstet)
1 cm Limettenzeste
1/2 TL Garnelenpaste
Salz

Alle Zutaten im Mörser zu einer sehr feinen Paste verarbeiten. Beginnend immer mit den härtesten Zutaten.
In einem Topf, Wok oder einer Pfanne, 2 Esslöffel Currypaste mit 1/4 l Kokoscreme dünsten und reduzieren, bis kleine Fettaugen entstehen.
Gewünschtes Fleisch, Fisch oder Gemüse dazugeben und mit etwas Wasser langsam gar dünsten lassen. Mit Kokosmilch, Palmzucker, Fischsauce, Limettensaft und frischen Kräutern wie Limettenblätter, Thai Basilikum oder Koriander und frischen Thai Chilis abschmecken.

Vater Herberts „Bradl in der Rein“ mit Kartoffeln und Stöckelkraut, Wurzelgemüse, viel Soße, mit Bier aufgegossen.
Pötzelsberger Juniors neuestes Projekt: Die knusprige Kruste. Eine Wissenschaft: „Den Braten am Vorabend einwürzen, mit Knoblauch, gemahlenem Kümmel, Salz. Mit der Schwarte nach unten ins Reindl setzen, bissl Wasser, bissl Fett, idealerweise Schweineschmalz, aufwärmen, dann erst einschneiden – und das Spiel mit der Kruste beginnt. Du brauchst an guten Backofen, lässt das Fleisch zwei Stunden bei 180 Grad im Rohr ¬– ohne Flüssigkeit zuzugeben. Höchstens ganz zart mit dem Pinsel ein wenig Bier über der Schwarte verstreichen. Zum Schluss auf 200 Grad hochschalten und kurz die Grillfunktion betätigen. Umsichtig! Sehr gefährlich, dass die Kruste platzt.“