Sushi und mehr in Tokio 2006/05)

Welche der vielen Facetten der japanischen Küche Sie auch immer hier in Tokio verkosten, eine Erfahrung bleibt Ihnen sicher: Langweilig wird's nie.

Sushi und mehr in Tokio

Text von Hans Mahr Fotos: StockFood, beigestellt
In einer Stadt mit mehr als 10.000 Restaurants die richtigen Tipps für den reisenden Gourmet zu finden, ist fast ein Ding des Unmöglichen. Nach fünf Aufenthalten in Tokio und einem siebentägigen Auffrischungsprogramm versuche ich es trotzdem. Allen Werbern und Promotionleuten zum Trotz besteht die japanische Küche nicht nur aus Sushi und Sashimi. Die Japanküche bietet viel mehr – vom kaiserlichen Kaiseki-Menü mit seinen bis zu 30 Gängen bis zu Fisch, Fleisch und Gemüse als "Tempura" (im Teigmantel frittiert), "Sukiyaki" (über Holzkohle gegrillt), "Teppanyaki" (auf der Stahlplatte gebraten) und "Shabu-Shabu" (im Topf gegart).
Lassen Sie uns trotzdem mit dem besten Sushi der Welt beginnen. Und das finden Sie ohne Zweifel um den Tsukiji-Fischmarkt, wo von fünf bis zehn Uhr früh die berühmten Fischauktionen stattfinden. Alles, was sich im Meer bewegt (ob kriecht, schwimmt oder nur wächst), kommt dort unter den Hammer. Und das Zuschauen macht nicht nur begnadeten Frühaufstehern Spaß. Rund um den Markt (wie könnte es anders sein?) haben sich die besten Sushi-Lokale etabliert. Mein Lieblingslokal ist das "Sushi Sei", in einer kleinen Seitengasse zwischen allerlei Japanramsch und den garantiert schärfsten Fischmessern angesiedelt. Zu ebener Erde und im ersten Stock gibt es nicht nur den üblichen Tuna, sondern den speziellen "fatty tuna" (sozusagen der Bauchspeck vom Thunfisch), Makrele, Butterfisch, warmen Aal, Abalone und Seeigel, acht verschiedene Arten von Muscheln, und, und, und …
Wem der Andrang zu Mittag zu groß ist (es gibt keine Reservierung), der kann 50 m weiter rechts in das "Sushi Yachiyo" ausweichen.
"Sushi modern" kann man in "Mikuni’s Sushi-Train" erleben, gleich beim Marunouchi-Bahnhof. Dort gibt’s Sushi mit Foie gras, "Rock ’n‘ Roll-Sushi" mit Aal und Avocado oder sogar eine Pariser Sushi-Rolle, ein Mini-Croissant mit Sushi-Reis, Thunfischsalat und Camembert. Zum Probieren ein Riesenspaß, aber ehrlich gesagt, ich bleibe lieber beim traditionellen rohen Fisch.
Weiter mit Fisch, diesmal gekocht, gedämpft, gegrillt. Im "Edo-Gin" auch in der Nähe vom Fischmarkt kann man sich den Fisch im Tank aussuchen. Einfach draufzeigen und wenige Minuten später ist er dampfend auf dem Tisch.
Oder gönnen Sie sich junge Steinbeißer im "Komagata Dojo" im Asakusa District. Hier kann man sich die Fische über der Holzkohle selbst grillen. Oder gehen Sie dorthin, wo sich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Fischspieß geholt hat – im "Gonpachi", das bei Ausländern besonders wegen seinem traditionellen Ambiente inklusive Holzboden und offenem Feuer beliebt ist. Wer die traditionellen japanischen Aal-Delikatessen kosten will, für den gibt’s eine einzigartige Adresse: Das wunderschöne "Nodaiwa" in Minato serviert ein eigenes Aal-Menü, beginnend mit rohem Aal, dann frittierte Aalhaut, Reis mit gedämpften Aalstücken, Aal gegrillt und geräuchert. Sogar der Kaiser lässt sich, so sagt es die Mär, einmal pro Woche vom "Nodaiwa" versorgen.
Tempura ist etwas für Spezialisten, die nach tagelanger Schonkost auch einmal kalorienreich essen wollen. Fisch und Gemüse im Teigmantel frittiert, das genießt man in Tokio am liebsten zu Mittag. Denn da gibt’s noch ausreichend Zeit zu verdauen. Am besten bekommt man die Tempuras im "Tsunahachi", einer Tempura-Kette deren Dependancen ein spezielles, nahezu fettfreies Öl verwenden. Oder man geht dorthin, wo Mick Jagger – jedenfalls nach den Fotos an der Wand zu schließen – sein Tempura genießt: ins "Hayashi", das auch von den Fernsehleuten des größten japanischen Senders bevölkert wird.
Aber japanische Küche besteht nicht nur aus Fisch allein. Das beste Beef kommt aus Kobe, wo die berühmten Rindviecher mit Bier gefüttert und täglich massiert werden, damit sich das Fett zwischen den Fleischfasern absetzt und somit postum die zartesten Steaks der Welt garantiert. Zwei Tipps für den absoluten Genuss dieses wunderbaren Fleisches – entweder als ganzes Steak oder auch auf dem traditionellen Teppanyaki-Grill klein geschnitten und häppchenweise serviert. Das "Morimoto" im hippen Stadtteil Roppongi ist von außen unscheinbar. Ein versteckter Seiteneingang, aber kaum, dass man die Türe geöffnet hat, empfängt den Besucher ein Designtempel der besonderen Art. Auf zwei Stockwerken verteilt präsentiert sich das wahrscheinlich schönste Restaurant Tokios. Oben eine lange Sushi-Bar, unten alles in braunem Teak: die Weinbar, die zwei Teppanyaki-Grillstationen und die wenigen Tische. Billig ist’s nicht, das Teppanyaki-Menü zwischen 80 und 100 Euro, fürs Kobe-Beefsteak werden 150 Euro verlangt. Dafür gibt es aber grandiose Qualität, besten japanischen Service und eine Weinkarte, bei der man ausnahmsweise aufs gute Asahi-Super-Dry-Bier verzichten kann. Wer’s lieber konservativer hat, dem wird das "Serina" liegen. Ein ganzer Komplex von Speisezimmern, Privaträumen und einer Speisekarte, die beim Fleisch die gesamte Bandbreite der japanischen Küche bietet. Bis hin zum Shabu-Shabu, wo die hauchdünn geschnittenen Rindfleischtranchen im Wasserkessel gesotten werden und mit drei verschiedenen Saucen zu verkosten sind.
Apropos traditionell: Ein Erlebnis der besonderen Art bietet das in einem alten japanischen Holzhaus angesiedelte "Botan", wo man das beste Chicken Sukiyaki der Stadt erhält. Man sitzt auf kleinen Matten und grillt über Mini Holzkohleöfen seine kleinen Hühnerstücke, die man zuvor in Ei mit allerlei Zutaten getunkt hat. Das schmeckt nicht nur gut, sondern …
… macht auch Riesenspaß – und Sie werden dort kaum einen Touristen treffen.
Kein Gourmet-Aufenthalt in Japan wäre vollständig ohne ein Kaiseki-Menü probiert zu haben. Kaiseki, das ist eine ritualisierte Mahlzeit, die aus zumindest zwölf Gängen besteht und auf die 500 Jahre alten buddhistischen Tee-Zeremonien in Kyoto zurückgeht. Alles beim Kaiseki ist saisonal – natürlich Gemüse und Obst, Muscheln und Fische, sogar der Schnitt der Kostbarkeiten soll angeblich auf die Jahreszeiten abgestimmt sein – größere Stückchen im Winter, kleinere Portionen im Sommer.
Zwei Kaiseki-Meister sind besonders empfohlen: Chef Tsuji in seinem "Tsujitome" in Akasaka serviert drei Menüs, wobei man sich – wenn schon, denn schon – in diesem Fall fürs teuerste (150-200 Euro) entscheiden sollte. Da spielt er wirklich seine Stärken aus, so viel japanische Geschmacksnuancen gibt es selten zu probieren.
Chef Kenichiro Ooe dagegen hat das Kaiseki "neu erfunden" und der heutigen Zeit angepasst. Im "Kozue" im 40. Stock des Park Hyatt Hotel geht es weniger um Zeremonien-Schnick-Schnack sondern um Köstlichkeiten, die einem Japan nahe bringen. Und zwar in der Art des spanischen Kochgenies Ferran Adrià. Das gelierte Knöderl ist in Wahrheit geräucherter Lachs, die Seegurke kommt als Geschnetzeltes und die frischen Feigen mit Nüssen in der Sesamsauce. Das alles mit dem schönsten Blick auf Tokio bis hin zum Mount Fuji.

Adressen

Für Sushi:
Sushi Sei
4-13-19 Tsukiji, Cho-ku
Tel.: +81/3/3541-7720
Mikuni’s Sushi-Train
Tokyo Station Marunouchi, South Gate, Floor B11-9-1
Marunouchi, Chiyoda-ku
Tel.: +81/3/5218-5123
Edo-Gin
Tsukiji Fish Market
Tel.: +81/3/3543-4401
Für Steinbeisser:
Komagata Dojo
1-7-12 Komagata, Taito-ku, Asakusa
Tel.: +81/3/3842-4001
Für Kushi-Yaki:
Gonpachi
1-13-11 Nishi-Azabu
Minato-ku
Tel.: +81/3/5771-0170
Für Aal:
Nodaiwa
1-5-4 Higashiazabu, Minato-ku
Tel.:+81/3/3583-7852
www.nodaiwa.com
Tsunahachi Rin
Shunkan Restaurant Complex
MyCity Department Store, 7th floor
3-38-1 Shinjuku, Shinjuku-ku
Tel.: +81/3/5269-1111
Hayashi
5-14-4 Ogikubo, Suginami-ku,
Akasaka Sanno Kaikan 4F
2-14-1 Akasaka
Tel.: +81/3/582-4078
Für TeppanYaki:
Morimoto XEX
I.K.N. Roppongi Bld
7-21-19 Roppongi, Minato-ku
Tel.: +81/3/3479-0065
Serina
3-12-2 Roppongi
Minato-ku
Tel.: +81/3/3402-1051
Für Chicken SukiYaki:
Botan
1-15 Kanda Sudacho
Tel.: +81/3/3251-0577
Tsujitome
1-5-8 Moto-Akasaka
(2. Toraya-Gebäude), Minato-ku
Tel.: +81/3/3403-3984
Kozue im Hotel Grand Hyatt Tokyo
6-10-3 Roppongi, Minato-ku
Tel.: +81/3/4333-1234